Essay: Der Spielleiter

Dies ist der Versuch einer Quintessenz zur Funktion des klassischen Spielleiters im Pen&Paper, speziell im erzählerischen Rollenspiel. Vor dem Hintergrund der Forge-Diskurse möchte ich den klassischen SL mit Story Games kontrastieren, die viele SL-Aufgaben umverteilen oder sogar den SL insgesamt abschaffen. Mit letzteren habe ich mich recht eingehend beschäftigt, bin aber – auch für erzählerische Runden – zum klassischen SL zurückgekehrt. 

Daher will ich einerseits zeigen, warum es falsch wäre, die althergebrachte Aufgabenteilung zwischen SL und Spielern für ein Relikt der Wargaming-Anfänge zu halten, und jede andere Aufgabenteilung für gleichwertig. Andererseits will ich aber auch Fehlvorstellungen über die Rolle des SL, die in Spielerschaft und Regeltexten noch immer verbreitet sind, als solche benennen und einen Gegenentwurf präsentieren. 

Zuguterletzt möchte ich den notwendigen Kontext schaffen, um das kontroverseste aller Themen zu behandeln: das Schummeln.

Einleitung

Die meisten von uns sind mit einer Reihe von Wahrheiten groß geworden: Der SL hat immer Recht. Der SL kennt die Geheimnisse der Welt, die Spieler nicht. Der SL entscheidet, was gespielt wird. Das System ist egal, wenn man einen guten SL hat. Es folgte bei den Indie-Spielen ab spätestens 2003 eine dekonstruktivistische Phase, gipfelnd in einer ganzen Reihe spielleiterloser Rollenspiele. Dieser Trend setzt sich bis heute fort und beeinflusst auch den Mainstream in gewissem Maße. Gleichzeitig kann man, wenn man will, die OSR (auch) als Gegentrend begreifen.

Aus meiner heutigen Sicht mögen spielleiterlose Rollenspiele als eigene, neue Spielgattung ihre Daseinsberechtigung haben. Es ist ihnen jedoch nie gelungen, den klassischen Spielleiter gleichwertig zu ersetzen. Wer sich also von spielleiterlosen Rollenspielen das gleiche Spielerlebnis erhofft, wie mit einem guten SL, nur ohne dass sich jemand die Arbeit machen muss, der wird enttäuscht werden. Wer den SL-Burnout hat oder unter einem egomanischen und stümperhaften SL leidet, sollte daraus nicht schließen, dass das Konzept des Spielleiters an sich fehlerhaft wäre.

“War doch klar”, sagst du? Nein, klar war das überhaupt nicht. Deshalb erlaube ich mir, etwas auszuholen.

Verhandlungsleiter mit Sonderbefugnissen

“Der SL hat immer Recht” findet seine Begründung oft darin, den SL in einer grundverschiedenen, höheren Funktion gegenüber den Spielern zu begreifen. Aus dieser Funktion erwachsen sozusagen kraft Naturrecht Befugnisse. Dieses Verständnis ist falsch. Rollenspiel ist ein Prozess, bei dem alle Mitspieler gemeinsam ein fiktionales Geschehen erschaffen. Solange irgendeine Person am Tisch nicht zustimmt, dass etwas in der Spielwelt passiert ist, können wir nicht sinnvoll so weiterspielen, als wäre es passiert. Der SL ist also ebenso wie jeder andere darauf angewiesen, seine Mitspieler zu überzeugen. Es gibt kein Naturrecht, alles leitet sich von den Menschen am Tisch ab und wird zwischen ihnen verhandelt. Der SL hat nicht immer Recht, er hat manchmal auch Unrecht und kann überstimmt werden.

Trotzdem hat es sich bewährt, dass der SL als Verhandlungsleiter fungiert, der über strittige Fragen entscheidet und den Verhandlungsprozess moderiert. Er (und kein anderer Mitspieler) ist für diese Rolle geeignet, weil der SL oft Dinge weiß, die die Spieler (noch) nicht wissen. Insofern ist es erforderlich, dass der SL manchmal intransparent bleibt und seine Verhandlungsposition nicht offen begründen kann. Hieraus entsteht ein Konflikt, zu dessen Auflösung die hergebrachte Lösung sich als die Beste herausstellt: Der SL muss sagen können, “das ist jetzt so, keine Diskussion.” Eine solche Ansage kann im Übrigen auch dem Spielfluss dienen, wenn Spieler eine Neigung zu ausufernden Diskussionen haben.

Fazit: Ein guter SL ist einer, der den Verhandlungsprozess souverän moderiert, seine Beurteilung nicht grundsätzlich über die der anderen stellt, aber nötigenfalls in strittigen Frage entscheidet. Er macht von seiner Befugnis, die anderen ohne Begründung zu überstimmen, nur insofern Gebrauch, als dies zur Wahrung von SL-Geheimnissen erforderlich ist.

Wahrer ausgewählter Geheimnisse

Der unreflektierte Umgang mit Geheimnissen geht so: Der SL weiß alles, die Spieler sollen am Besten nur das wissen, was ihre Charaktere wissen. Diese Herangehensweise behindert das Spiel, da sie den SL zur Intransparenz zwingt. Die Spielsituationen werden weniger erklärt, kontrolliert und verhandelt, was im Zweifel schlechtere Qualität bedeutet. Die Spieler haben nicht die Chance, ihre Gedanken und Vorlieben einzubringen, der SL muss versuchen, diese zu erraten.

Das hergebrachte Verständnis ist also genau falsch herum, Geheimnisse und Intransparenz sind nicht grundsätzlich gut und richtig, sondern sie sind grundsätzlich falsch und schlecht. Der Grundsatz sollte die transparente Verhandlung auf Augenhöhe sein, wenn keine gravierenden Gründe dagegen sprechen. Das sollte sich bei einer gemeinsamen Freizeitaktivität eigentlich von selbst verstehen.  Ausnahmen vom Grundsatz der Transparenz sind nur für solche Geheimnisse zu machen, deren Wahrung (mit der Chance auf spätere Enthüllung) das Spiel wirklich bereichert.

Fazit: Ein guter SL ist grundsätzlich transparent und lässt sich nicht schon aus Prinzip nicht in die Karten gucken. Er hütet Geheimnisse vor den Spieler nur, wenn es das Spiel wirklich bereichert.

Widerpart des Charakterspiels

Viele Aufgaben des SL im klassischen Rollenspiel ergeben sich als Umkehrschluss aus der Tatsache, dass jeder Spieler weitgehend nur durch Spielen seines Charakters am Spiel teilnimmt. Wenn der Spieler ein bestimmtes Ergebnis erreichen will, dann bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich zu überlegen, was genau sein Charakter tun kann, um dies zu bewirken. Ob aber die Aktion tatsächlich zum Ziel führt, muss erst noch verhandelt werden. Hierfür wird der SL benötigt, der die Umwelt verkörpert und die Auswirkungen jeder Handlung bewertet.

Story Games kürzen diesen Weg oft durch etwas ab, das man auf der Forge “Director Stance” nannte. Sie geben dem Spieler – typischerweise bei einem erfolgreichen Wurf oder Ressourceneinsatz – selbst das Recht, über Folgen, Reaktionen und äußere Umstände zu entscheiden, sodass er den Ausgang einer Szene seinen Vorstellungen entsprechend bestimmen kann. Manche Regelwerke lassen ihm dabei freie Hand, andere stecken einen mehr oder weniger engen Rahmen ab, in dem sich das Ergebnis bewegen muss. 

Dies ist weit mehr als nur eine Umverteilung von Aufgaben. Es ist eine fundamentale Änderung des gesamten Spielprinzips: Man denkt das Spielgeschehen nicht mehr vom Prozess her, sondern vom Ergebnis her. Ein Spieler, der nur Impulse setzen kann und darauf angewiesen ist, dass diese Impulse die von ihm gewünschte Wirkung erzielen, braucht gute Argumente für die weitere Verhandlung. Er muss sich ganz anders in die Spielwelt, die Situation und den Charakter hinein denken, als ein Spieler, der die Wirkung schon weiß und sich dazu einen passenden Impuls ausdenkt, ohne ihn argumentieren zu müssen.

Die Beschränkung auf das Charakterspiel schafft also nicht nur Investment in den Spielercharakter selbst, sondern auch in die einzelnen Spielsituationen und Handlungsabläufe. Wenn man das will, braucht man notwendigerweise einen SL, der sich mit gleichem Investment um den Rest kümmert. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Spieler nur einen einzigen Charakter kontrollieren, oder mehrere. Wesentlich ist, dass sie nur den Impuls bestimmen können, die Wirkung aber verhandeln müssen. 

Damit das funktioniert, müssen Planbarkeit und Verlässlichkeit gewährleistet sein. Spieler müssen sich darauf verlassen können, dass ihr Invest in die Spielwelt sich auch lohnt. Die Spielregeln sind hier von großer Bedeutung, man braucht aber auch klare Kommunikation und nachvollziehbare, gleichbleibende Beurteilungskriterien von Seiten des SL.

Fazit: Ein guter SL ist ein fairer und konsistenter Verhandlungspartner der Spieler, wenn es um die Auswirkungen ihrer Aktionen geht. Er verlangt und belohnt gute Argumente der Spieler, und erhöht so den Invest in die Spielwelt.

Leitfigur des Spielstils

Spielspaß entsteht, wenn alle Beteiligten “das gleiche Spiel spielen”, es also ein gemeinsames Verständnis davon gibt, was wichtig und unwichtig ist, welche Beiträge erwünscht sind und welche nicht. Da es kein SL-Naturrecht gibt, existiert auch kein allgemeiner Grundsatz, dass der SL das System auswählt und darüber entscheidet, wie man es “richtig spielt”. Sondern die Gruppe muss sich gemeinsam auf System und Spielstil verständigen.

Allerdings hat es sich als zwecklos erwiesen, einen Spielstil allein dadurch reproduzierbar machen zu wollen, dass man ihn abstrakt beschreibt. Meiner Erfahrung nach muss eine Gruppe ihren Spielstil im Wesentlichen durch den Akt des Spielens selbst finden. Das System (und Setting) ist dabei keineswegs egal, sondern zentral,  jedoch gibt es im klassischen Rollenspiel weite Interpretationsspielräume, die es zu füllen gilt. 

Daraus haben viele Story Games die Konsequenz gezogen, die Interpretationsspielräume stark einzuschränken. Z.T. machen sie geradezu formelhafte Vorgaben, die zu befolgen sind. Solche Formeln konnten für mich aber niemals auch nur ansatzweise mithalten mit dem organisch gewachsenen, individuell austarierten, eingespielten Stil einer harmonierenden Gruppe im klassischen Rollenspiel. Was die Frage aufwirft, wie findet denn eine solche Gruppe ihren Stil?

Gerade in der Konstellation “neues System, neues Setting, neue Gruppe” hat es sich bewährt, dass ein SL durch sein Beispiel und seine Moderation einen Spielstil vorgibt. Dies ist nicht der Endpunkt, wohl aber der Ausgangspunkt des Findungsprozesses. Nimmt der SL sich hingegen zurück, ist Orientierungslosigkeit die Folge, und in vielen Fällen kommt die Gruppe gar nicht bei einem gemeinsamen Spielstil an.

Der SL ist für die Rolle der Leitfigur aus drei Gründen prädestiniert: Erstens kann er seine Rolle als Verhandlungsleiter hierfür nutzen. Zweitens kann er sich besser vorbereiten, wenn er eine recht klare Vorstellung davon hat, was für eine Art Runde es werden soll. Und drittens ist die Motivation des SL aufgrund seiner Sonderrolle besonders wichtig, mit anderen Worten, der SL sollte möglichst viel Bock auf die Runde haben.

Fazit: Ein guter SL leitet das System und Setting seiner Wahl, und zeigt am Tisch durch sein Beispiel, welchen Spielstil er damit verbindet. Gleichzeitig bleibt er offen für die Signale der Spieler, und erlaubt dem Spielstil der Gruppe, sich zu entfalten.

Sitzungsvorbereiter

Muss ein SL zwangsläufig viel Arbeit in seine Sitzungsvorbereitung stecken? Manch einer, der sich spielleiterlosen Rollenspielen zuwendet, tut dies auch deshalb, weil er den Vorbereitungsaufwand scheut. Andererseits gab es schon immer SLs, die ihre Abenteuer im Wesentlichen improvisierten. Heute werden ganze Spiele und Leitfäden für improvisierte Spielleitung geschrieben. Diese vermitteln Techniken, um mit minimalem Aufwand ein maximales Ergebnis zu erreichen. 

Die Frage ist, ob der improvisierte Ansatz die gleiche Qualität liefert, wie gute Vorbereitung. Für mich selbst kann ich das eindeutig mit “nein” beantworten. Wenn ich als SL voll im Thema bin, alles durchdacht, mein Material gut organisiert habe, kann ich reibungsloser und souveräner leiten, als wenn ich “schwimme”. Die Inhalte werden konsistenter sein, oft auch die Ideen besser. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Nun hält sich hartnäckig das Gerücht, dass viel Vorbereitung zu wenig Flexibilität am Spieltisch führe. Dieses Gerücht ist in dieser Absolutheit falsch. Nicht Vorbereitung an sich ist das Problem, sondern eine ganz bestimmte Art von Vorbereitung und Spielphilosophie. Ich glaube, so manche Kontroverse um Narrativismus vs. Railroading im erzählerischen Rollenspiel dreht sich eigentlich um Improvisation vs. Vorbereitung. Und konkret um die Fehlvorstellung, dass Improvisation automatisch ergebnisoffen sei, während ein umfassend vorbereiteter SL zwangsläufig Railroading betreibe. 

Dabei liegt doch auf der Hand, dass auch ein improvisierender SL railroaden kann, wenn er denn will. Ebenso kann ein vorbereiteter SL natürlich ergebnisoffen leiten. Für Runden, die explorativ oder taktisch/strategisch spielen, ist das eine Selbstverständlichkeit. In erzählerischen Runden ist es ebenso möglich, wenn man denn will. Und auch bei einem durchgeplotteten Abenteuer, egal ob improvisiert oder akribisch vorbereitet, kann und sollte man immer flexibel bleiben und auf die Spieler eingehen. Wenn ein SL nur dann flexibel auf die Spieler eingehen kann, wenn er wirklich gar nichts vorbereitet hat, sozusagen aus Verlegenheit, dann spricht das wohl eher gegen den SL als gegen das Vorbereiten.

Nun gibt es Rollenspiel-Improvisationskünstler, die für sich in Anspruch nehmen, dass bei ihnen mit Improvisation sogar viel bessere Inhalte herauskämen, als mit langer Vorbereitung. Möge das jeder selbst bewerten. Ich bleibe skeptisch, will aber gerne einräumen, dass Vorbereitung kein Selbstzweck ist. 

Es geht darum, die zuvor genannten Rollen souverän auszufüllen und Spielinhalte anzubieten, die von den Spielern gefeiert werden. Soweit man dafür Vorbereitung benötigt, führt jedenfalls die besondere Rolle des klassischen SL dazu, dass der Löwenanteil des Vorbereitungsaufwandes bei ihm hängen bleibt. Viele effektive SL-Hilfsmittel wie z.B. Props, Handouts oder Playlists sind ohne Vorbereitungsaufwand gar nicht denkbar. Auch Regel- und Hintergrundkenntnis erfordert Arbeit, und die braucht ein klassischer SL umfassender als ein Spieler.

Fazit: Ein guter SL macht sich wenigstens so viel Arbeit, dass er reibungslos und souverän leiten kann, ggf. auch mehr für zusätzlichen Effekt. Er bleibt jedoch flexibel und geht auf die Ideen der Spieler ein.

Schummler?

Ein SL darf Geheimnisse haben und intransparent sein. Dies bietet ihm die Möglichkeit zum Schummeln, also im weitesten Sinne, während des laufenden Spiels heimlich die Spielwelt  so abzuändern oder die Regeln so zu missachten, wie es ihm in den Kram passt. Ob er das darf, darum rankt sich eine ewige Kontroverse. Wenn man die praktischen Fälle analysiert, in denen es zum Problem wird, dann wird man jedoch feststellen, dass der SL mindesten einen von zwei Fehlern gemacht hat: Er servierte ein Ergebnis, das die Spieler doof fanden, oder er ließ sich erwischen.

Wenn hingegen die Spielsitzung ein voller Erfolg war, alle mitgefiebert und sich reingehängt haben, es überraschende Wendungen und spannende Entscheidungen gab, Enthüllungen und emotionale Momente, und alle den Spieltisch zufrieden verlassen, während, wenn der SL an dieser einen Stelle nicht geschummelt hätte, das Abenteuer in eine Sackgasse gelaufen wäre – mit welchem Recht wollte da irgendwer dem SL einen Vorwurf machen?

Es gibt keinen moralischen Imperativ, als SL nie und unter keinen Umständen zu schummeln. Wer stümperhaft schummelt, zu oft, an zu entscheidenden Stellen, auf zu durchschaubare Weise, wird wahrscheinlich auch ohne Schummeln ein Stümper bleiben. Wenn das Abenteuer ohne Schummeln nicht funktioniert, dann ist es eben schwach geplottet. Insofern ist handwerkliche Kritik angebracht, moralische Kritik nur dann, wenn das Gebot der Fairness verletzt wurde. Das ist aber nicht bei jedem Schummeln der Fall. Sondern nur dann, wenn das Schummeln nicht im mutmaßlichen Interesse aller Mitspieler geschieht, sondern z.B. aus Antipathie, Eitelkeit oder um eine Machtprobe zu gewinnen.

Fazit: Ein guter SL schummelt allenfalls dann, wenn das Ergebnis das Spiel bereichert, und lässt sich nicht erwischen.

Schlusswort

Ein guter SL ist auch im erzählerischen Rollenspiel durch nichts zu ersetzen. Man sollte sich aber von einer den SL überhöhenden und die Spieler vergessenden Sichtweise lösen. Eine wirklich gute Runde wird von allen Mitspielern getragen. Die klassische Aufgabenteilung zwischen Spielern und SL hat sich dabei als sehr effektiv erwiesen. Und dafür gibt es gute Gründe.

(Anmerkung: Dies ist die überarbeitete und erweiterte Version eines Textes, den ich 2017 im Tanelorn gepostet habe.)

Vom geskripteten Encounter 

Ich hätte ja nie gedacht, dass ich mich noch mal so intensiv mit D&D beschäftige, aber es hat sich so ergeben und ich leite jetzt sogar Lost Mine of Phandelver mit einer bunt zusammengesetzten Gruppe. Das Abenteuer (das im Starter Set enthalten ist) hat ja sehr viel Lob erhalten, und es ist auch wirklich hervorragend präsentiert und eine sehr gelungene Einführung in alles, was typisch D&D ist. Es gibt mehrere kleinere Dungeons und einen etwas größeren, ein bisschen Wildnis, ein paar mögliche Zufallsbegegnungen, viele verschiedene Monster einschließlich einiger ikonischer Originale, eine kleine Stadt mit einem Strauß an NSCs – und auch 1 ½ geskriptete Encounter. Oder mehr, je nachdem, wie man zählt.

Was ist es?

Ein geskriptetes Encounter ist eine Szene (Begegnung), die zu einem bestimmten Zeitpunkt im Abenteuer passieren soll, um die Handlung voran zu bringen. Der DM soll also warten, bis bestimmte andere Dinge passiert sind, und dann, wenn ein bestimmter Auslöser eintritt oder sich eine gute Gelegenheit ergibt, die geskriptete Szene starten. Beispiel 1 aus Lost Mine (milder Spoiler): Nachdem die Charaktere etwa einen Tag in der Stadt gewesen sind, brechen lokale Rowdys einen Kampf mit ihnen vom Zaun, oder früher, wenn die Charaktere sich zum Hangout der Rowdys begeben.

Wenn man es genau nimmt, sind auch die meisten Dungeons voll von geskripteten Encountern, da sie eine bestimmte Situation voraussetzen, die genau in dem Zeitpunkt vorzufinden ist, in dem die Charaktere eintreffen. In den meisten Dungeons wird ja nicht die Routine der Dungeonbewohner beschrieben und der DM ermittelt dann zufällig, wer sich zu welchem Zeitpunkt gerade in welchem Raum aufhält, sondern es wird genau eine Besetzung für jeden Raum präsentiert, und dann gibt es ggf. noch ein paar wandelnde Monster. Nicht immer ist die geskriptete Natur eindeutig, manchmal aber schon. Beispiel 2 aus Lost Mine (milde Spoiler): Als die Charaktere den Raum betreten, sind ein paar Ghule gerade dabei, das Mark aus den dort herumliegenden Gebeinen zu schlürfen.

Warum lehnen es manche Leute ab?

Für Oldschool-Spieler und Simulationisten sind geskriptete Encounter oft ein rotes Tuch. Denn sie möchten, dass sich alles, was geschieht, organisch aus der Logik der Spielwelt ergibt. Dass der DM überhaupt eine bestimmte Handlung geplant hat, ist da schon grenzwertig, aber auf keinen Fall darf er einfach willkürlich in die Welt eingreifen, um diese Handlung zu forcieren. Der explorative Ansatz stößt irgendwann an Grenzen der Praktikabilität (z.B. bei der Besetzung von Dungeon-Räumen), sodass Kompromisse erforderlich sind und auch gemacht werden. Aber zumindest Beispiel 1 wäre in diesem Spielstil ein No-Go. 

Ich persönlich kann mit diesem streng explorativen Spiel nichts anfangen, und es entspricht auch nicht dem in D&D5 vorausgesetzten Spielstil. Ich nehme aber gerne zur Kenntnis, dass manche darauf Wert legen. Was ich absolut nicht cool finde, ist das von einigen dieser Leute geprägte Schmähwort “Encountardization”. Ich will hier keine Grundsatzdiskussion aufmachen, aber die Überhöhung des explorativen Spiels als intelligenter, anspruchsvoller oder gar moralischer als ein Spiel mit geskripteten Teilsequenzen ist meiner Meinung nach grob unsinnig. Und die Wortschöpfung, die auf dem Schimpfwort “retarded” basiert (auf Deutsch also zurückgeblieben bzw. behindert), ist auf jeden Fall völlig daneben.

Was ist daran gut?

Geskriptete Encounter machen dem DM das Leben leichter. Durch sie wird das Abenteuer besser planbar und einfacher vorzubereiten. Der DM hat die Chance, die Szene vor dem Spiel schon mal durchzugehen, vor seinem inneren Auge ablaufen zu lassen, vielleicht Dialogzeilen oder Beschreibungen zu üben. Für diejenigen von uns, die nicht mit einem überragenden Improvisationstalent gesegnet sind, wird es dadurch viel leichter, solche Szenen konsistent, atmosphärisch dicht, unterhaltsam, kurz: filmreif zu präsentieren. (Unbenommen bleibt, dass heutige Filme oft genug Szenen haben, die nicht filmreif sind.)

Geskriptete Encounter erlauben es dem DM auch zu einem gewissen Grad, das Abenteuer in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken. Was man dabei opfert, ist die absolute Offenheit des explorativen Spiels (auch wenn jeder gute DM gelegentlich ein geskriptetes Encounter über Bord werfen wird, wenn das Spiel eine andere, interessante Richtung nimmt). Dafür reduziert man Vorbereitungsaufwand und kann viel leichter sicherstellen, dass man die richtige Menge an Material für eine Spielsitzung hat. Besonders bei Con-Runden und anderen One-Shots kann man dadurch auch viel eher dafür sorgen, dass das Abenteuer innerhalb der vorgesehenen Zeit zu einem befriedigenden Abschluss kommt.

Was kann dabei schiefgehen?

Erstens: Railroading. Wenn ein DM zu sehr an seinem Skript hängt, kann er in Versuchung geraten, dieses Skript gegen alle Widerstände durchzudrücken. Wenn Spieler clever waren, etwas vorhergesehen haben, das sie eigentlich überraschen sollte, etwas zu ihrem Vorteil zu nutzen verstehen, das im Skript nicht vorgesehen war, dann ist es für die Spieler frustrierend und ärgerlich, wenn sie dafür nicht belohnt werden. Wenn der DM stattdessen irgendwelche Dinge erfindet, die den Erfolg der Spieler zunichte machen und es dem Skript erlauben, sich zu entfalten, werden Spieler zu Recht sauer sein. Das ist nach wohl jeder Definition Railroading, so flexibel sollte ein DM sein, dass er das nicht nötig hat.

Aber selbst wenn der DM nichts erfinden muss, selbst wenn das Skript so robust ist, dass all der Einfallsreichtum der Spieler in der Situation einfach nichts bringt, kann das für Spieler frustrierend sein. Denn sie erkennen ja genau, dass die Karten gezinkt wurden, um das Abenteuer in eine bestimmte Richtung zu lenken. Zwar halte ich es grundsätzlich nicht für ein Problem, von Spielern zu erwarten, dass sie dies gelegentlich hinnehmen. Schließlich will der DM ihnen einfach nur ein möglichst spannendes und unterhaltsames Abenteuer bieten, und das Skript erleichtert ihm diese Aufgabe manchmal ungemein. Auf der anderen Seite sollte man dann als DM aber die Spieler nicht am Nasenring durch die Manege führen. Wenn es irgendwo einen Flaschenhals gibt, irgendeine Sache, die einfach passieren muss und die die Spieler nicht verhindern können oder sollen, dann sollte man das als DM auch zügig durchblicken lassen, damit die Spieler wissen, dass sie sich nicht anstrengen müssen. Und dann sollte man den Flaschenhals in angemessener Kürze abhandeln, um zur nächsten Szene zu gelangen, deren Ausgang die Spieler wieder beeinflussen können.

Zweitens kann es auch passieren, dass die geskriptete Szene bei näherem Hinsehen überhaupt keinen Sinn ergibt. Wenn man darüber nachzudenken anfängt, warum die beteiligten Figuren gerade zu diesem Zeitpunkt aufgetaucht sind, oder warum sie sich so verhalten haben, wie sie sich verhielten, was sie wussten, was sie nicht wussten, usw., dann sollte das bei einer gut geskripteten Szene alles zusammenpassen. Ein offensichtlicher Widerspruch oder hanebüchener Zufall zerstört die Glaubwürdigkeit der Spielwelt und entzieht den Spielern damit auch die Grundlage, sinnvolle Überlegungen und Pläne aufzustellen. Natürlich sind gewisse Kompromisse okay, aber offensichtlichen Unsinn sollte man vermeiden. In Beispiel 2 liegen die Gebeine seit 500 Jahren herum, aber ausgerechnet jetzt sind Ghule auf die Idee gekommen, dass es da noch Mark zu schlürfen geben könnte? Srsly? (Diese Szene werde ich umschreiben.)

Wie viele sind zu viele?

Theoretisch kann man ein ganzes Abenteuer nur aus geskripteten Encountern zusammensetzen. Dann hat man letztlich einen dramaturgischen Spielstil mit szenischer Vorbereitung. Die Kunst dabei ist es, die einzelnen Szenen nicht zu linear aufzureihen und auch unterschiedliche Ausgänge möglich zu machen. Wenn ich so etwas leiten will, nehme ich dafür eher nicht D&D, was aber nicht heißt, dass das nicht geht. Es ist nur nicht unbedingt das, wofür D&D gemacht wurde. In der aktuellen Version ist D&D denke ich am Besten für eine gesunde Mischung aus explorativen und geskripteten Sequenzen geeignet. Wichtig ist in jedem Fall, Respekt vor den Würfeln und den Ideen der Spieler zu haben.

Anarchistische Abenteuer

Judith Vogt, Mitherausgeberin und Mitautorin von Roll Inclusive und Co-Gastgeberin des Genderswapped-Podcast, hat in diesem Artikel auf Feminismus oder Schlägerei etwas geschrieben, das so oder ähnlich auch in Roll Inclusive gesagt wird, und mit dem ich mich heute beschäftigen möchte:

“Wir müssen auch einen Blick in die Regeln des Spiels werfen. Wieviel postkoloniales, hierarchisches, kapitalistisches, patriarchales Gedankengut transportieren sie? Wie sehr geht es darin um Ressourcen, um Leistung, um Profit aus Ausbeutung anderer (und wenn es nur Orks und Dungeonbewohnende sind)? Wie können wir das ändern? Wie können wir das Schwarz-Weiß-Denken aus den Regeln nehmen?”

Ich verstehe Judith so, dass “Regeln” eher weit zu interpretieren ist, also nicht nur Würfelmechanismen, sondern das gesamte Spielprinzip und alles, was im Regelwerk steht. Und natürlich soll die Aussage erst recht auch für das Setting gelten. Ich denke, es lohnt sich, da etwas näher hinzusehen, insbesondere aus dem Blickwinkel der Mutter aller Rollenspiele: D&D.

1. Herr Ober, da ist Antikapitalismus in meiner Diversity!

Wer überzeugter Anhänger einer linken Ideologie ist, für den gehören ungleiche Machtverhältnisse und Kapitalismus untrennbar zusammen. Ich habe einige Sympathie für diese Sichtweise, finde es aber trotzdem falsch, bei einem Projekt wie Roll Inclusive diese Bezüge herzustellen. Denn das schränkt die Zielgruppe ein und läuft Gefahr, viele mögliche Verbündete, die zwar Diversität gut finden, Kommunismus aber nicht, zu verprellen. Wir dürften uns wohl alle einig sein, dass die Überwindung des Kapitalismus nicht unmittelbar bevorsteht, zumal niemand ein wirklich zeitgemäßes Rezept hat, wie diese Überwindung denn von Statten gehen soll. Insofern scheint es mir aus pragmatischer Sicht unklug, alles auf die Karte der Weltrevolution zu setzen.

Zur Begrifflichkeit: Judith nennt Ressourcen, Leistung, Profit und Ausbeutung als Beispiele, in Roll Inclusive ist an anderer Stelle von Verwertungslogik die Rede. Es sollte aber jedem, der mit dem Begriff Kapitalismus um sich wirft, klar sein, dass Kapital etwas anderes ist als Geld oder Privateigentum. Ich bin bestimmt kein großer Marx-Kenner, aber dafür reicht es bei mir noch. Charaktere, die auf Beutezug gehen und Goldmünzen anhäufen, sind dadurch noch keine Kapitalisten. Das pseudo-europäisch-mittelalterliche Feudalsystem der gängigen Fantasy-Settings ist allenfalls merkantilistisch. Ausbeutung und Verwertungslogik erfolgt in diesem Kontext durch den Feudalherren und den Klerus. Insofern ist dies durch “hierarchisch” und meinetwegen “patriarchalisch” abgedeckt, “kapitalistisch” ist eigentlich über.

Nun könnte man natürlich annehmen, dass die Kapitalismuskritik stattdessen auf den Rollenspielverlag und dessen Verwertungslogik abzielt. Ggf. würden Wizards of the Coast sogar als Kapitalisten durchgehen, wohingegen die allermeisten Rollenspielverlage dafür viel zu klein und unprofitabel sind. Doch selbst wenn nicht, selbst wenn Rollenspielverlage ähnlich mächtig wären wie andere Unternehmen, die ihren Profit mit phantastischen Welten machen, etwa Games Workshop, Blizzard Entertainment oder Walt Disney: Was bringt es denn, Verwertungslogik fundamental zu kritisieren? Wo soll das hinführen, Boykott? Da Roll Inclusive selbst für Geld bei einem Rollenspielverlag vertrieben wird, nehme ich nicht an, dass dies die Intention ist. Und ist es nicht auch viel zielführender, Unternehmen im Rahmen ihrer Spielregeln zu Verbündeten beim Thema Diversity zu machen? Was aber soll dann das antikapitalistische Name Dropping? Zudem: Man kann dem Kapitalismus amerikanischer Prägung vieles nachsagen, aber nicht, dass er nicht gute Unterhaltung produzieren würde.

2. Story Games sind wie feministische Pornos

Beispiele dafür, wie man es anders, besser, machen könne, nennt sowohl Judiths Artikel als auch Roll Inclusive einige, die allermeisten davon sind sehr eng fokussierte Story Games wie Steal Away Jordan oder Bluebeard’s Bride, bestenfalls noch Monsterhearts oder Harlem Unbound. Besonders erstere ließen mich an diesen Essay denken, in dem die Autorin anekdotisch darüber berichtet, dass sie selbst und alle anderen Frauen, mit denen sie darüber gesprochen hat, keine feministischen Pornos schauen, sondern “böse”, unemanzipierte Mainstream-Pornos, mit Male Gaze und allem, was sonst noch so dazu gehört. Nun will ich keine Lanze für den Mainstream-Porno brechen, ich bin selbst kein Fan. Diese Anekdote führt jedoch zu einer interessanten philosophischen Frage.

Wenn ich von einem Medium etwas bestimmtes will, also von einem Porno z.B., dass er mich scharf macht, oder von einem Rollenspiel, dass es mich der Realität entfliehen lässt, dann hängt der Erfolg eines bestimmten Pornos bzw. Rollenspiels von meiner persönlichen Neigung ab, die ich nicht rational steuern kann. Bin ich daher dafür verantwortlich, wenn meine Neigung in eine Richtung geht, die nicht mit meinem politischen Reinheitsempfinden übereinstimmt? Sollte ich politischen Dogmatismus über meine Neigung stellen und wenn ja, wo führt das hin? Ist nicht die reflektierte Entscheidung, der Neigung zu folgen, auch ein möglicher Ausdruck von Freiheit und Emanzipation? Egal welche Prägung die Neigung ggf. ursprünglich geformt haben mag? Gerade in bezug auf den Feminismus scheint es mir geradezu zynisch, dass einige Feministen den Frauen diese Freiheit absprechen wollen, nachdem die zweite Welle doch auch und gerade für die sexuelle Befreiung gekämpft hat.

Nun heißt das nicht, dass alle so ticken wie die Autorin des verlinkten Porno-Essays. Bestimmt gibt es auch Leute, die feministische Pornos viel schärfer finden als alles andere, oder sogar Leute, die Pornos aus anderen Gründen gucken, als um davon scharf zu werden. Wohl weiß ich, dass es Leute gibt, die total gerne gesellschaftskritische Story Games spielen, ob mit oder ohne eskapistisches Element. Ich selber spiele auch gerne mal schwere Kost, bin allerdings weg von den pervy narrativist Story Games und verwende für meine Drama-Runden eher sehr freie Systeme wie Fate, Dread oder The Pool. Die sind dann, um die Analogie tot zu reiten, weder feministische Pornos, noch Mainstream, sondern etwas anderes (rule 34).

Niemand hat ja belastbare Zahlen, ich stelle aber die These in den Raum, dass die meisten Rollenspieler einfach nur der Wirklichkeit entfliehen und mit ihren Freunden Abenteuer erleben wollen, wenn sie sich an den Spieltisch setzen. Sie wollen sich nicht mit den Problemen der Welt beschäftigen und erst recht keine Lektion erteilt bekommen, und das ist auch völlig okay. Wenn diese These stimmt, sollten wir meines Erachtens Beispiele suchen, die in diesem Rahmen Diversität und Inklusivität fördern, auf unterhaltsame und zugleich natürliche, glaubwürdige Art und Weise. 

3. Wie könnte ein anarchistisches Abenteuermodul aussehen?

Lasst uns zuerst ein paar Dinge aus dem Weg räumen. Erstens, wenn hierarchisches Gedankengut in Frage gestellt werden soll, dann ist die Antithese dazu Anarchismus. Wer bei Anarchismus nur an Bombenleger und Propaganda der Tat denkt oder gar der Meinung ist, Anarchismus bedeute das Recht des Stärkeren, dem sei zur Lektüre das großartige The Dispossessed von der wunderbaren Ursula K. LeGuin anempfohlen. Ich selber habe erst durch dieses Buch wirklich verstanden, wie sie denn aussehen könnte, die anarchistische Utopie, einschließlich ihrer Grenzen, Schwächen und Unvollkommenheiten.

Zweitens, das passende Gegenstück zu einem Story Game ist im Kontext von D&D ein Abenteuermodul, und nicht das Regelwerk selbst. Sowohl was den Umfang, als auch was die vorgenommenen Setzungen innerhalb der Fiktion, als auch was die damit verbrachte reale Spielzeit angeht, ist diese Entsprechung viel eher passend. Das Regelwerk und das Spielprinzip selbst grundsätzlich in Frage zu stellen, erscheint mir in bezug auf D&D weniger zielführend. Ich habe dies auch auf Facebook mit den Machern von Roll Inclusive diskutiert, und mir wurde auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt, dass dies nicht die Intention sei. Damit ist klar, dass taktische und strategische Herausforderungen, die Erforschung unbekannter Gebiete und Gewölbe und auch das Anhäufen von Beute fester Bestandteil des Spiels sind. Die Frage ist nur, was sind die Quellen von Antagonismus und Beute in einem nicht-hierarchischen Setting.

Drittens, ich bin kein D&D-Experte und habe auch nie behauptet, einer zu sein. Ich habe mich in den letzten Monaten aufgrund des medialen Hypes, den ich schon ziemlich cool finde, verstärkt mit D&D5 beschäftigt, mit Critical Role und anderen Streams und auch mit dem Regelwerk. Geleitet habe ich es bisher nicht, nur gespielt, was sich aber hoffentlich sehr bald ändern wird. Ich besitze Red-Box-D&D und AD&D 2E und habe sie seinerzeit gelesen und gespielt, allerdings nicht sehr intensiv gespielt. Die dazwischen liegenden Editionen kenne ich nur aus Proberunden. Ich finde die 5E aus verschiedenen Gründen sehr beachtlich, deren Aufzählung hier den Rahmen sprengen würden, und ich kam nicht umhin zu bemerken, dass D&D und allgemein Abenteuerrollenspiel bei Roll Inclusive einen weitgehend blinden Fleck darstellen, daher möchte ich hier versuchen, diese Lücke zu füllen.

Nach dieser Vorrede: Wie also könnte ein anarchistisches Modul aussehen? Inspiration liefert mir ein Buch, das ich gerade lese: The art of not being governed von James C. Scott. Scott beschäftigt sich insbesondere mit der Geschichte Südostasiens. Dabei geht er zunächst auf die vormodernen Staaten, die Reichweite ihrer Macht und ihre Interaktion mit dem, was er als staatsfreie Räume (state-less space) bezeichnet, ein. Sodann stellt er die Lebensweise der Menschen in den staatsfreien Räumen, der Hügelbewohner (hill people), dar, einschließlich Handelsbeziehungen zu den Talstaaten (valley states), teilweise auch Tributzahlungen. Er spekuliert sodann, dass die Lebensweise der Hügelbewohner – flexibel, mobil, vergleichsweise egalitär, mit großer ethnischer Vielfalt und fluider Identität – nicht bloß ein vorstaatlicher Zustand ist, weil die Zivilisation die Hügel noch nicht erreicht hat, sondern dass diese Lebensweise vielmehr in direkter Wechselbeziehung zur Entstehung der Talstaaten steht und gezielt darauf ausgerichtet ist, sich dem Zugriff der Staaten zu entziehen. Weiter spekuliert er, dass es zu jeder Zeit viele Menschen gab, die sich der Staatsgewalt mit all ihren Folgen (Steuern, Zwangsarbeit, Militärdienst, Epidemien in den dicht besiedelten Räumen) entzogen, indem sie in die Hügel flohen. Ebenso gab es auch gegenläufige Migration, wenn ein besonders erfolgreicher Staat mit Nahrungsüberschuss, Frieden und spiritueller Blüte lockte.

Scott legt dies insbesondere anhand der geographischen, demographischen und politischen Gegebenheiten in Südostasien dar. Und es könnte ja durchaus eine schöne Abwechslung sein, dies auch für ein Fantasy-Modul aufzugreifen und Abenteuer in einem Gebiet zu erleben, das dem Mekong ähnelte, komplett mit Reisfeldern und Bewässerungsanlagen, Elefanten, Dschungeln, Sümpfen und Mangroven, Monsunregen, Malaria und allem, was das Monster Manual an ostasiatisch angehauchten Ungeheuern zu bieten hat (zum Thema kulturelle Aneignung siehe hier). Wem das auf Dauer zu exotisch ist, der braucht nicht weit zu schauen: Scott verweist auf ähnliche Verhältnisse im feudalistischen Europa, z.B. noch im 17. Jahrhundert im sogenannten “outlaw corridor” im heutigen Deutschland, der unter anderem vielen Sinti und Roma als Zuflucht diente. Wenn ich es richtig verstehe, handelt es sich dabei etwa um das Gebiet vom Thüringer Wald bis zum Bayerischen Wald.

Die Charaktere wären in einem solchen Fall selbst Gesetzlose, die vor dem hierarchischen Staat in die Hügel fliehen. Gute und böse Völker gäbe es hier nicht per se (kein postkoloniales Weltbild: check), die Staaten der Menschen, Elfen und Zwerge wären ihres klassischen, geschichtsrevisionistischen Narrativs des weisen Herrschers und der gerechten, gottgewollten Ordnung beraubt (was auch ein bisschen feministischer Porno ist, schon klar). Sie wären, mit anderen Worten, fiese, expansive Sklavenhalterregime, deren Hauptziel es ist, wie auch Scott anhand diverser Quellen darlegt, möglichst viele arbeits- und waffenfähige Personen unter ihre Kontrolle zu bringen. Nicht Macht über Territorium, sondern Macht über Personen ist hier die ausschlaggebende Motivation und das, was einen erfolgreichen Staat auszeichnet. Sklaverei ist die ganz logischen Folge. Damit haben wir auch gleich eine Quelle von Antagonismus. 

Jetzt könnte man natürlich noch politischer werden und sagen, das ist alles eine Systemfrage und die Leute, die der ausführende Arm des Systems sind, trifft keine Schuld, die sind auch nur Opfer. Auf diesem Weg kommt man ganz schnell in Kobayashi-Maru-Daenerys-in-Mereen-Situationen, was nicht förderlich ist, wenn man der Wirklichkeit entfliehen und mit Freunden Abenteuer erleben möchte. Daher sollte es durchaus erlaubt sein, den propagandistischen Spieß umzudrehen und ein eigenes, anti-hierarchisches, grob vereinfachendes Narrativ zu entwickeln. Die Talstaaten (es könnte natürlich auch ein Underdark-Staat dabei sein) haben, das ist wichtig, keine echte Kontrolle über die Hügel. Sie können größere Militärkontingente hier nicht versorgen. Wohl aber können sie kleinere Banden schicken, die sich durch Plünderung selbst versorgen und Sklaven jagen. Und für die Charaktere finden sich umgekehrt sicher viele Gründe, Covert Ops in den Tälern und den Garnisonen der Staatsgewalt durchzuführen.

In den Hügeln treffen die Charaktere auf die Hügelbewohner. Diese sind nicht nur die Leute, die hier schon immer lebten, sondern die meisten von ihnen sind vor dem Zugriff der Talstaaten geflohen. So können Goblins, die vor dem Bugbear-König und seinen Hobgoblin-Henchmen weggelaufen sind, mit Menschen, Zwergen und Elfen zusammen leben. Tieflinge, die ja quasi die Sinti und Roma von D&D sind, wird man wahrscheinlich in überproportional hoher Zahl finden. Scott weist darauf hin, dass in den Bergen Südostasiens und Südchinas verwandte Gruppen sich nicht über ein zusammenhängendes Territorium ausbreiten, sondern auf bestimmten Höhenmetern zu finden sind, das übernehmen wir gerne. Statt einer klassischen Frontier Town als Home Base haben wir es mit halbnomadischen Gruppen zu tun, die über ein heterogenes, komplexes und fluides Sozialgefüge verfügen. Und wo wir gerade dabei sind, herrscht natürlich Gleichberechtigung der Geschlechter, und auch wenn es keine Anführer im eigentlichen Sinne gibt, sind viele der einflussreichen und angesehenen NSCs Frauen (kein patriarchales Weltbild: check). Neben action-orientierten Abenteuern können soziale und politische Abenteuer eine wesentliche Rolle spielen, wenn es darum geht, das fragile Gleichgewicht der in den Hügeln lebenden Gruppen zu wahren, den Versuch einer gewaltsam-hierarchischen Machtergreifung zu verhindern oder auch innerhalb einer egalitären, nicht-hierarchischen Gemeinschaft Einigkeit über wichtige Fragen zu erzielen. 

Natürlich braucht man für D&D Dungeons, und wenn auch der gelegentliche Vorposten eines Talstaates oder das Höhlensystem, in dem der Möchtegern-Hügeldespot mit seinen Schlägertrupps Unterschlupf gefunden hat, den Zweck erfüllen, ist doch nichts so schön wie alte Ruinen und Grabmäler. Hier nun stößt die realweltliche Inspiration an Grenzen, da solche zivilisatorischen Hinterlassenschaften eigentlich im Widerspruch zu den geographischen Verhältnissen stehen, die ja gerade das Bestehen der anarchistischen Hügelgesellschaft ermöglichen. Doch da können wir in D&D nonchalant die Zauber-Karte ziehen: Vor Jahrhunderten hat es eben eine Zivilisation gegeben, die über so mächtige Magie verfügte, dass sie dadurch das logistische Problem lösen und die Hügel unterjochen konnte, ebenso wie es in Südostasien heute mithilfe moderner Technologie geschieht. Natürlich ist diese alte Zivilisation längst untergegangen. Aber ihre Ruinen geben sicherlich alles her, was des Dungeon Masters Herz begehrt. Und wenn man sich für das südostasiatische Flair entscheidet, hat man mit Angkor Wat auch gleich ein starkes Bild vor Augen. 

Aneignen oder nicht aneignen, das ist hier die Frage

Ich habe in den letzten Tagen Roll Inclusive durchgelesen. Es ist ein wichtiger, mutiger und im großen und ganzen gelungener Debattenbeitrag. Ich finde das Anliegen sehr richtig und gut und teile die Grundannahme, dass Diversity und Repräsentation im Rollenspiel wünschenswert sind, gerade im Interesse von Inklusivität. Erwartbar sorgt das Buch überall dort, wo es im Internet angesprochen wird, für Kontroversen grundsätzlicher Natur. In solchen Debatten möchte ich keine Kritik üben, die dann von Leuten vereinnahmt werden könnte, deren Einstellung ich ganz und gar nicht teile. Das ist sehr schade, denn ich sehe an zwei, drei Punkten durchaus Diskussionsbedarf. Den zweiten davon möchte ich heute hier ansprechen: Die Sache mit der kulturellen Aneignung.

In “Endboss Kulturklischee – Tipps für kultursensiblen Weltenbau” von Elea Brandt geht es um den Umgang mit anderen Kulturen bei der Gestaltung von Rollenspiel-Settings. Als praktische Tipps rät die Autorin zu guter Recherche, Kreativität und dazu, auf “Own Voices” zu hören und sich “Sensitivity Readers” zu besorgen. Sicherlich richtet sich das vor allem an Verlage und Autor*innen (wobei für das Homebrew-Setting schon eine interessante Frage wäre, wie man den Konflikt zwischen Machbarkeit und dem Wunsch nach Repräsentation auflöst, die der Artikel aber nicht stellt.) In erster Linie geht es darum, beleidigende und ausgrenzende Klischees zu vermeiden, was unmittelbar einleuchtet. Es wird aber auch das Thema kulturelle Aneignung angesprochen. Diese sei unvermeidlich, wenn Kulturen aufeinander treffen, problematisch werde sie aber dann, wenn sie “einseitig” geschehe. Der Artikel bleibt nebulös, was daraus nun eigentlich genau für das Rollenspiel folgt, und rät lediglich zu “Fingerspitzengefühl”.

Aber was mache ich denn, wenn ich ein Rollenspiel-Setting bastle? Ich nehme alles, was mir irgendwie in die Finger kommt, und verwurste es. Ich sehe, lese oder höre etwas, das mich inspiriert, und dann deute ich das im Kontext des fiktionalen Settings um. Wenn ich mir Repräsentation und Inklusivität auf die Fahnen schreibe, wie soll ich das denn bitteschön anders bewerkstelligen, als eben das, was ich inkludieren und repräsentieren möchte, in meinen kreativen Prozess einzubeziehen? Und wie kann das anders als einseitig geschehen? Dazu zwei Anekdoten.

Meine erste Begegnung mit dem Begriff der kulturellen Aneignung war bei Vaiana. Vaiana ist ein ganz fantastischer Disney/Pixar-Film. Er ist visuell atemberaubend, hat Spannung, Action, Humor, Gefühl und gute Songs, hat ganz tolle weiblichen Role Models (aber ohne diese artifizielle, belehrende Note wie bei Merida), alle Figuren sind polynesisch, ohne sich darüber zu definieren, und sogar bei den Body Types ist der Film sensibel. Außerdem gibt es Seefahrer-Romantik, coole Monster, eine archetypische Mentor-Schüler-Geschichte und ein spektakuläres Finale mit einem Twist. What’s not to like? Trotzdem gab es Kritik von politischen Aktivist*innen, weil, genau, kulturelle Aneignung. Und da fehlt mir ehrlich gesagt das Verständnis. Disney ist Disney, was habt ihr denn erwartet? Die nehmen Märchen und Sagen und machen da dann einen Hollywood-Blockbuster draus, das ist was die tun. Egal ob Artussage oder Andersens Märchen oder 1001 Nacht, und jetzt gehört Maui auch zum Club. Herzlich willkommen! Mehr Repräsentation geht doch nicht. Die Hauptfiguren wurden im Amerikanischen sogar von Schauspieler*innen mit polynesischen Wurzeln gesprochen.

Das wiederum führt mich zur zweiten Anekdote. Mir erzählte neulich jemand, er sei auf dem letzten Christopher Street Day mitgelaufen und da habe es einen Wagen von Rewe gegeben. Diese kommerzielle Vereinnahmung der Subkultur fand er kacke. Das konnte doch nicht das Ziel des emanzipatorischen Kampfes gewesen sein, dass jetzt Rewe mit dem CSD Werbung macht. Aber hey, das ist eben Teilhabe. Teilhabe an der globalen Konsumgesellschaft, yay. Willkommen im Club! (Natürlich weiß ich, dass gleichberechtigte Teilhabe noch längst nicht erreicht ist.)

Was ich damit sagen will: Wenn man die Repräsentation von marginalisierten Gruppen nicht allein den Angehörigen dieser Gruppen selbst überlassen will, sondern auch privilegierte Leute wie mich dabei einbezieht, dann weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, wie ich das in bezug auf andere Kulturen machen soll, ohne kulturelle Aneignung zu begehen. Jedenfalls in realweltlichen Settings wie Urban Fantasy, Cyberpunk o.ä. Das gehört sozusagen zum Paket, ich nehme etwas, mache es mir zu eigen, deute es um und mache daraus ein Abenteuer. Willkommen im Club! Wo liegt das Problem?

Muss der Ork weg?

Ich habe in den letzten Tagen Roll Inclusive durchgelesen. Es ist ein wichtiger, mutiger und im großen und ganzen gelungener Debattenbeitrag. Ich finde das Anliegen sehr richtig und gut und teile die Grundannahme, dass Diversity und Repräsentation im Rollenspiel wünschenswert sind, gerade im Interesse von Inklusivität. Erwartbar sorgt das Buch überall dort, wo es im Internet angesprochen wird, für Kontroversen grundsätzlicher Natur. In solchen Debatten möchte ich keine Kritik üben, die dann von Leuten vereinnahmt werden könnte, deren Einstellung ich ganz und gar nicht teile. Das ist sehr schade, denn ich sehe an zwei, drei Punkten durchaus Diskussionsbedarf. Den ersten davon möchte ich heute hier ansprechen: Muss der Ork weg?

Drei Artikel in Roll Inclusive, die mir besonders gut gefallen haben, sind “Kritischer Treffer? Kritisches Weißsein! – Rassismuskritisches Denken und Handelns im Rollenspiel” von Mike Krzywik-Groß, “People of Color zwischen Othering und adäquater Repräsentation” von Aşkın-Hayat Doğan und “Das war halt so! – Zur Problematik von historischer Korrektheit, Authentizität und Fantastik” von Aurelia Brandenburg. Ich möchte keine Zusammenfassung versuchen, da die Artikel bereits sehr tight sind und ich daher jedem nur empfehlen kann, sie selber zu lesen. Wichtig ist hier nur, dass sehr nachvollziehbar und überzeugend herausgearbeitet wird, wie die rassistischen Narrative des Kolonialismus und des Imperialismus auch Fantasy-Literatur und Rollenspiel-Settings prägen, und dass z.B. Orks hierzu sehr deutliche Bezüge haben. Sie sind unzivilisiert, böse und gewalttätig, sie haben flache Nasen, eine fliehende Stirn und andersfarbige Haut, und man kann sie ohne Reue töten. So weit, so richtig.

Worum sich die Autor*innen allerdings drücken, ist eine klare Aussage dazu, was denn ihrer Meinung nun mit den Orks geschehen soll. Müssen die weg? An einer Stelle wird gesagt, die Zusammenhänge zu reflektieren und sich innerlich davon abzugrenzen, sei schon mal besser, als es nicht zu tun. An anderer Stelle wird gesagt, dass Veränderungen auch mal ein bisschen wehtun dürfen, im Sinne von Wehmut, aber trotzdem ein Gewinn seien. Es wird kritisiert, dass Orks immer die Bösen sind und Spieler den “Genzozid” an ihnen ausrufen. Aber eine so richtig klare Ansage sucht man vergebens. Was also wird denn nun aus den Orks? Dazu habe ich drei Anmerkungen:

Erstens sind fast alle Beiträge im Buch stark durch die Erzählspieler-Brille geschrieben, und zwar entweder in der DSA- und Shadowrun-Variation, oder in der Indie-Fate-pbtA-Story-Games-Variation. Dabei wird vernachlässigt, dass Kampf, dass taktisches und strategisches Spiel, Betonung auf Spiel, im Pen & Paper seit jeher eine große Rolle gespielt haben. Ebenso wird vernachlässigt, dass Dungeons & Dragons nicht nur das erste Rollenspiel war, sondern bis heute das bei weitem erfolgreichste und meistgespielte Rollenspiel der Welt ist, das zudem ganze Generationen von Videospielen, Brettspielen, Kartenspielen, LARPs und Table Tops geprägt hat. Das Antagonistische ist hier nicht bloß ein erzählerisches Klischee, sondern zugleich notwendiges Spielprinzip. Die Vernachlässigung eines erheblichen Teils des Hobbies halte ich für die größte Schwäche von Roll Inclusive, hier wäre etwas mehr Repräsentation (haha) wünschenswert gewesen.

Zweitens scheint es mir zumindest diskussionswürdig, ob nicht bestimmte, archetypische Geschichten tief in uns etwas ansprechen und daher wieder und wieder erzählt werden wollen. Die Heldenreise wird ja in Erzählspielerkreisen gerne zitiert, doch auch Geschichten von Kriegen und epischen Schlachten, von uralten, bösen Feinden und einer rechtschaffenen Gemeinschaft, die ihren Zusammenhalt dagegen setzt und letztlich triumphiert; die Idee einer gottgewollten und bewahrenswerten Ordnung, einer Spiritualität, die nicht zweifeln muss, weil das Metaphysische in der Welt sich deutlich manifestiert… diese Dinge resonieren mit uns. Es geht im Rollenspiel um Eskapismus, um Emotion, um Unterhaltung, und dafür bedienen wir uns dieser Archetypen, darüber braucht niemand, der gerne pädagogische Story Games spielt, die Nase zu rümpfen. Mag ja sein, dass solch archaische Geschichten nicht künstlerisch wertvoll sind, man sollte aber aufpassen, dass man nicht Geschmacksfragen mit dem Politischen vermengt. 

Das beantwortet natürlich alles noch nicht die Frage, ob es nun ausgerechnet Orks sein müssen, und führt mich zu Drittens: Selbst wenn, was ich noch nicht als so eindeutig ansehe, man zu dem Schluss käme, dass es aus politischen Gründen wünschenswert wäre, Orks auf den Müllhaufen der Geschichte zu verbannen: Wäre es taktisch und strategisch klug, das jetzt zu fordern? Alice Schwarzer hat mal ein Porno-Verbot gefordert, sie hatte dafür auch Argumente, aber mal ganz abgesehen von der Frage, ob ich diese Argumente teile: Das war taktisch und strategisch ein ganz großer Fehler und hat meiner Meinung nach dem Feminismus in Deutschland sehr geschadet. Aufs Rollenspiel übertragen, bedeutet das: Es ist eine Sache, den Leuten zu sagen, dass ihre Novadis nicht cool sind. Die meisten Leute hatten das mittlerweile wohl schon von sich aus geahnt. Aber den Leuten zu sagen, dass sie keine Orks mehr metzeln dürfen? Nein, da tut man sich selbst und der Sache™ keinen Gefallen mit. Ich rate dringend, die Kirche im Dorf zu lassen.

Blog-O-Quest #49: Erotik

Ausnahmsweise beteilige ich mich diesen Monat am Blog-O-Quest, weil mich das Thema, Erotik, interessiert und weil ich auch die Fragen von Nerd-Gedanken gut gewählt finde. Also, ans Werk! Ich sage es hier ausnahmsweise dazu: Ich verwende den generischen Maskulin, es sind damit jeweils alle Geschlechter gemeint.

1. Rollenspiel-Publikationen mit Sonderregeln für körperliche Liebe, Erotik und artverwandte Themen wie beispielsweise „Wege der Vereinigung“ für das System „Das Schwarze Auge“ finde ich ___________________, weil ________________ .

Ich finde sie gut, wenn sie thematisch stimmig sind. Viele Rollenspiele haben sehr ausführliche Regeln für Kampfsituationen, weil die gewaltsame Konfliktlösung thematisch einen großen Raum in ihnen einnimmt. Das passt zum Quellenmaterial und hat sich bewährt. Genauso kann man auch ausführliche Regeln für etwas anderes haben, wenn es thematisch einen großen Raum einnehmen soll und das zum Quellenmaterial passt.

Sich mit dem Quellenmaterial für Sex und Erotik auseinander zu setzen, würde den Rahmen dieses Blogposts sprengen. Du wirst viele Rollenspieler finden, für die es die persönliche Schamgrenze überschreitet, explizit erotische Inhalte im Rollenspiel vor den Mitspielern zu thematisieren. Das gilt es zu respektieren, die sind dann eben nicht Zielgruppe. 

Es gibt aber auch Leute wie mich, die an solchen Themen durchaus ihre Freude haben und darin nichts sehen, wofür man sich schämen muss. Und schließlich gibt es Leute, die ihre persönliche Schamgrenze zum kategorischen Imperativ erklären und etwas dagegen haben, dass Leute wie ich solch schamlose Dinge tun. Deren Argumente möchte ich hier nicht zitieren, ich halte sie für bigott und sehe darin den Ausdruck einer altmodischen und überkommenen Moralvorstellung. Dieser Standpunkt mag kontrovers sein, aber ich bin von ihm sehr überzeugt.

Wichtig ist in jedem Fall, dass Spielregeln und Spielinhalte stimmig sind und es tatsächlich möglich ist, damit so etwas wie eine ernsthaft erotische Stimmung am Spieltisch zu erzeugen. WdV kenne ich nicht, bin bei 4.0 aus DSA ausgestiegen, bin aber fast in Versuchung (hihi), mir dieses spezielle Büchlein zuzulegen. Ich selber habe z.B. mit Barbaren! einen satirischen Zugang gewählt, der zunächst eine ironische Distanz schafft. Die Regeln formen das Narrativ, doch ob es mehr oder weniger albern, mehr oder weniger explizit zugeht, bleibt den Mitspielern überlassen. Ich habe damit ein breites Spektrum an Szenen gespielt, komische Szenen, prickelnde Szenen, pornografische Szenen. Das Thema Sexismus steht dabei natürlich auch im Raum, dazu verweise ich auf den Thread im Tanelorn.

Deshalb ist letztendlich die persönliche Schamgrenze auch nicht die einzige Grenze, die bei erotischen Inhalten zu beachten ist. Auch dann, wenn in der Gruppe deutlich abweichende Einstellungen zu Homophobie, Sexismus und ähnlichen Themen bestehen, sollte man lieber einen weiten Bogen um Erotik machen. Daher empfehle ich auch Zurückhaltung, was explizite Spielberichte angeht. Nicht alles, was im Schlafzimmer und am Spieltisch passiert, gehört in die Öffentlichkeit.

2. Besuche im Puff, Stripclub oder in Tempeln von Gottheiten mit Schwerpunkt körperlicher Freuden sind für manche Tischrunden oder Spielumfelder völlig normal, für andere undenkbar. Was haltet ihr davon?

Der klassische Rahjatempelbesuch ist ja die harmlose Variante: Hier wird Erotik nicht ernstlich thematisiert, es steht nichts auf dem Spiel, es ist nicht zentral, sondern nur beiläufig, aber man kann eben mal die Zehen ins Wasser tauchen und schauen, wie es sich anfühlt. Und natürlich kann man dies auch als Anknüpfungspunkt für die Selbstbeschäftigung des Spielers mit seinem Charakter und der Welt verwenden. 

Es ist letztlich nur ein weiterer Aspekt des Eskapismus, der dem Rollenspiel innewohnt: Wir stellen uns vor, stark, klug und mächtig zu sein, über Magie oder Superkräfte zu gebieten, in einer Welt voller Wunder zu leben, warum sollten wir uns nicht auch vorstellen, potent und promisk zu sein? Natürlich gilt es wiederum, auf die persönlichen Schamgrenzen der Mitspieler Rücksicht zu nehmen und etwaigen politischen Streitpunkten aus dem Weg zu gehen. 

3. Der erotischste NPC, der/die mir in meiner ganzen Spielkarriere bisher begegnet ist, war _________ und ist mir wegen ______ besonders im Gedächtnis geblieben.

Ich empfinde weniger einen NSC an sich als erotisch und mehr die Beziehung und Interaktion des NSC mit meinem SC. Mir ist z.B. eine Reign-Runde bei Joerg.D in Erinnerung geblieben, in der mein Charakter eine Affäre hatte, die falsch und gefährlich war und unausweichlich auf ein tragisches Ende zusteuerte, doch mein SC konnte nicht anders, und daraus erwuchs die Erotik. Details möchte ich lieber für mich behalten, denn wie bereits erwähnt: Nicht alles, was im Schlafzimmer und am Spieltisch passiert, gehört in die Öffentlichkeit.

4. Fähigkeiten wie „Verführen“ bemessen die Geschicklichkeit eurer Charaktere, ihnen einen NPC durch erotisches Geplänkel gewogen zu machen. Wie nutzt ihr diese am Spieltisch – wird gewürfelt, ausgespielt oder eine andere Option?

Verführen ist eine Fertigkeit wie jede andere auch: Der Wurf auf Verführen kommt dann ins Spiel, wenn der Ausgang einer Aktion nicht klar ist. Bei einer uninteressanten Szene kann der Wurf das Ausspielen komplett ersetzen, bei einer interessanten Szene hingegen wird die Szene bis zu dem Punkt ausgespielt, wo eine Reaktion wirklich auf der Kippe steht.

Der Konflikt in der Szene ist ja: Kriegst du den NSC rum, oder nicht? Durch das Ausspielen der Szene wird dieser Konflikt verhandelt, was du tust und sagst, sind deine Argumente, und der SL beurteilt diese, auch anhand von ggf. vorhandenem SL-Wissen, über das du nicht verfügst. Er kann sich dabei in Richtung Wahrscheinlichkeit oder Dramaturgie lehnen, aber jede Reaktion muss zumindest plausibel sein.

In manchen Fällen wird es ganz klar sein, dass der NSC dir die Tür vor der Nase zuknallt und jetzt stinksauer auf dich ist. In anderen Fällen ist es vielleicht schon vorher etabliert gewesen, dass der NSC auf dich steht, und daher wirst du, wenn du dich nicht doof anstellst, auch Erfolg haben. In wieder anderen Fällen lässt sich nicht mit letzter Klarheit sagen, wie der NSC dann wirklich reagiert, wenn du deinen Move machst. In diesen Fällen hat der SL, um es mit Vincent Baker zu sagen, zwei Möglichkeiten: Say yes, or roll the dice.

Dies gilt selbstverständlich nicht für das Verführen von anderen SCs. Hier hat immer der Spieler des SCs das letzte Wort, und der kann immer, jederzeit, nein sagen. Es hindert ihn allerdings auch nichts daran, dich um einen Verführen-Wurf zu bitten, wenn er selber unschlüssig ist.

5. Im LARP gibt es dagegen seit Jahren entsprechende Regeln, in anderen RPG-Umgebungen hat sich das aber längst nicht so weit verbreitet: Wie geht ihr mit dem Thema „sexualisierte Gewalt“ im Rollenspiel um?

Der Grundsatz ist, sexualisierte Gewalt im Rollenspiel ganz außenvor zu lassen, dies ist am Sichersten und gerade auf Con-Runden oder generell mit unbekannten Spielern in den allermeisten Fällen zu empfehlen. Denn bekanntlich kann sexualisierte Gewalt für gar nicht mal so wenige unserer Mitmenschen ein Trigger sein, und selbst unter denen, die es nicht triggert, gibt es viele, die es ganz und gar geschmacklos finden, sexualisierte Gewalt im Rollenspiel zu thematisieren. Selbst gewaltfreie erotische Inhalte sollte man nicht ohne Vorwarnung auf Spieler loslassen, deren Einstellung dazu man nicht kennt.

Gleichwohl gilt, für sexualisierte Gewalt genauso wie für Erotik: Erlaubt ist, was gefällt (aber nicht alles gehört in die Öffentlichkeit). Wenn sexualisierte Gewalt in Filmen und Büchern ein Thema sein kann, dann kann sie es auch im Rollenspiel. Es gilt hier einfach besonders transparent im Vorfeld abzuklären, was für eine Art von Runde es wird und wo die roten Linien der Mitspieler verlaufen. Safewords oder X-Cards habe ich bisher noch nicht verwendet. Ich finde das nicht blöd, habe aber bislang die Notwendigkeit nicht gesehen, da ich solche Runden ohnehin nur mit Leuten spiele, die ich gut kenne und denen ich auch ohne formalisiertes Signal zutraue, sich zu melden, wenn es ihnen nicht gut geht.

Kommentare im Forum

Pimp my D&D5: Ideals

In dieser Reihe:
Inspiration and Personality
Personality Traits
Ideals

Willkommen zurück, es geht immer noch darum, wie man die Personal Characteristics in D&D5 nutzen kann, um seine Kampagne dramaturgisch aufzupimpen. In der letzten Folge habe ich mich mit den Personality Traits befasst, bei denen es vor allem um Charakterisierung und manchmal auch Komplikationen geht. Obwohl ich auch dort einige Änderungen vorgeschlagen habe, waren doch viele der Beispiele im PHB aus dramaturgischer Sicht verwertbar. Die Ideals sind da ein härteres Stück Arbeit.

Warum ist das so? Im Überblick auf p. 124 heißt es: “Ideals encompass everything from your life goals to your core belief system.” Bei den Beispielen handelt es sich dann fast ausschließlich um sehr breite und abstrakte Werte, die sich an die ethische oder die moralische Komponente des Alignment anlehnen. Und da frage ich mich, wozu das gut sein soll? 

Ich gehöre gar nicht zu den Leuten, die sagen würden, das Alignment kann weg. Es ist ein ganz guter Wegweiser dafür, ob eine Gruppe zusammen funktioniert und welche Themen bei den Abenteuern dieser Gruppe eine Rolle spielen könnten. Aber ein Alignment hat der Charakter ja schon. Die Beispiele für Ideals im PHB leisten nichts weiter, als das Alignment ein kleines bisschen auf den Background zu konkretisieren. Das ist, wenn überhaupt, ein sehr geringer Mehrwert.

Wenn Ideals einen dramaturgischen Mehrwert haben sollen, müssen sie viel konkreter und greifbarer sein, sodass der DM die Chance hat, sie als Motivation oder Quelle für Konflikte einzusetzen.

Motivation

Motivation ist dramaturgisch ungeheuer wichtig, wird aber in vielen Rollenspielabenteuern stiefmütterlich behandelt. Selbstverständlich kann man seine Abenteueraufhänger als DM auch mit einer belastbaren und glaubwürdigen Motivation bauen, ohne auf die Backstory oder Persönlichkeit eines Charakters zurückzugreifen. Wenn man es jedoch “persönlich machen” kann, ohne dass es überkonstruiert und unglaubwürdig wird, dann ist das aus dramaturgischer Sicht auf jeden Fall eine gute Idee. Dies kann über Bonds passieren, aber auch die Ideals als Ziele können eine gute persönliche Motivation abgeben. Diese sollten griffig genug sein, dass man sich vorstellen könnte, ihnen durch Erfolge im Spiel ernsthaft näher zu kommen, andererseits aber nicht so drängend, dass der Charakter all sein Streben auf sie richten müsste und gar nicht an anderen Abenteuern teilnehmen dürfte.

Solche Ziele haben es an sich, dass man sie im Spiel endgültig erreichen kann. Sollte dies einem Charakter gelingen, so hat der Spieler wahrhaftig sein Spotlight gehabt, und darf es nun anderen überlassen. Das Ideal hat dann keine Funktion mehr.

Konflikt

Drama besteht aus Konflikt. Ideals als Überzeugungen können auf viele verschiedene Arten für Konflikt sorgen. Natürlich wird es oft mit den Überzeugungen deines Charakters im Einklang stehen, Orks zu töten. Das ist nett, ist hier aber nicht in erster Linie gemeint. Sondern eher das Gegenteil: Verbündete oder andere Machtgruppen, die nicht direkt Feinde sind, wollen den Charakter dazu bringen, gegen seine Überzeugung zu handeln (äußerer Konflikt). Freunde handeln in einer Weise, die den Überzeugungen des Charakters widerspricht (persönlicher Konflikt). Oder das Festhalten an seinen Überzeugungen verlangt einen hohen Preis von dem Charakter (innerer Konflikt).

Wiederum gilt: Ob der Charakter seinen Idealen treu bleibt oder nicht, entscheidet der Spieler. Bleibt er ihnen treu, und ergibt sich daraus eine Komplikation, erhält er Inspiration. Als DM solltest du, wenn du Konflikte mit den Ideals eines Charakters anlegst, folgendes im Hinterkopf behalten:

  • Das Heroic-Fantasy-Genre ist nicht auf ganz und gar brutale, unmögliche Entscheidungen ausgelegt. Konflikte mit Ideals sind definierende Momente für den Charakter, aber sie sollten ihn nicht zerstören. Vermeide Kobayashi-Maru-Situationen, und vermeide es, die Grundprämisse von D&D, dass Gewalt für viele Probleme eine gute Lösung ist, in Frage zustellen.
  • Versuche, nicht nur für den Charakter, sondern auch für den Spieler zu schreiben. Höre dem Spieler zu und versuche zu verstehen, was ihn interessiert.
  • Achte auf eine faire Spotlight-Verteilung zwischen den Spielern über die Kampagne hinweg.
  • Verwende innere und persönliche Konflikte sparsam, insbesondere solche, die den Zusammenhalt der Gruppe in Frage stellen. Sie können überaus effektvoll sein, doch weniger ist hier mehr.

Noch ein Rat an den Spieler: Niemand mag Zauderer. Ein Charakter, der mit sich selbst ringt, ist sympathisch. Ein Charakter, der mit sich selbst ringt und sich nicht entscheiden kann, ist eine Nervensäge. Der Sinn solcher Konflikte ist nicht, dass du das Puzzle lösen sollst. Sondern es geht darum, dass sich die wirkliche Persönlichkeit, die wirklichen Werte eines Charakters nur unter Druck zeigen.

Konflikt birgt immer auch die Möglichkeit der Persönlichkeitsentwicklung, das ist sozusagen der Sinn der Übung. Diese Entwicklung muss sich aus dem Spiel ergeben, doch wenn ein Spieler das Gefühl hat, dass nach der Auflösung eines inneren oder persönlichen Konflikts das Ideal des Charakters nicht mehr passend ist, sollte er die Gelegenheit erhalten, es auszutauschen.

Beispiele

Mit den Beispielen im PHB will ich mich in diesem Falle nicht lange aufhalten. Ich möchte hier stattdessen Beispiele für konkrete, griffige Ideals anbieten. Ich würde aber jeden Spieler ermutigen, sich selbst ein Ideal auszudenken, dass zu ihm und der Kampagne passt. Teilweise beziehen sich die Vorschläge mehr oder weniger konkret auf einen oder mehrere NSCs. Ich sehe sie trotzdem als Ideals und nicht als Bonds, weil es hier weniger um die Person geht und mehr um das Ziel, das der SC erreichen möchte.

Was du in meinen Beispielen nicht finden wirst, sind das Streben nach Macht und Reichtum, das bei neutralen und bösen Charakteren sehr weit verbreitet ist, oder Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, die bei guten Charakteren Standard sind. Die meisten D&D-Charaktere haben zumindest eine dieser beiden Motivationen, sie ist sozusagen in die DNA des Spiels eingebaut. Allein dadurch, dass das Abenteuer gespielt wird, werden diese Ziele und Überzeugungen automatisch verfolgt. Ein Ideal, das sich in ihnen erschöpft, wäre daher redundant.

Acolyte

  • Ich habe schon mein ganzes Leben lang denselben Traum, in dem ich [verschollenes Artefakt meines Gottes] in den Händen halte. Ich glaube, es ist ein prophetischer Traum. Es ist meine Bestimmung, dieses Artefakt zu finden.
  • Meine Berufung ist es, die Ungläubigen zu missionieren.
  • Mit der Priesterschaft meines Gottes liegt etwas im Argen. Sie muss reformiert werden.
  • Ich strebe nur nach Weisheit und spiritueller Reinheit. Daher habe ich das Zölibatsgelübde abgelegt und den weltlichen Dingen entsagt.
  • Ich glaube, dass Lüge Sünde ist. Wenn ich spreche, so spreche ich die Wahrheit.
  • Der Tempel und die Priesterschaft sind mein Leben. Ich werde alles für das Ansehen und den Einfluss des Tempels tun und Anweisungen meiner Vorgesetzten stets Folge leisten.

Charlatan

  • Eines Tages werde ich den ultimativen Coup landen und in eine unverschämt reiche, adlige Familie einheiraten. Dann wird meine falsche Identität meine wahre Identität werden, und niemand wird sie mir nehmen.
  • Ich habe durch mein falsches Spiel die Liebe meines Lebens verloren. Ich habe keine Ahnung, wo sie jetzt ist, doch ich muss sie unbedingt wiederfinden, ihr beweisen, dass ich ein anderer [Mensch] geworden bin, und sie zurückgewinnen.
  • Ich musste meine wahre Identität aufgeben, weil ich für ein Verbrechen gesucht werde, das ich nicht begangen habe. Doch eines Tages werde ich meinen Namen reinwaschen.
  • Ich sammle [weibliche] Eroberungen wie Trophäen, aber ich würde mich niemals an [eine Frau] binden. Ehrlich gesagt traue ich ihnen nicht.
  • Einmal ein Freund, immer ein Freund. Egal was meine Freunde anstellen, ich halte immer zu ihnen.
  • Ich kann nicht zulassen, dass jemand meine wahre Geschichte oder meine wahren Ziele kennt, dadurch werde ich viel zu verwundbar. Ich muss immer ein doppeltes Spiel spielen, selbst mit meinen Freunden, zu meiner eigenen Sicherheit.

Criminal

  • Ich will mir unbedingt einen Namen machen (natürlich ein “Künstlername”). Ich Sorge dafür, dass meine Taten bekannt werden, und wenn ich sie dafür aufpolieren oder notfalls erfinden muss, so sei es.
  • Ich habe meinen Vater nie gekannt, und bin jetzt auf der Suche nach ihm.
  • Mein [bester Freund/Freundin/enger Verwandter] hat mich verraten und in den Kerker gebracht. [Er] ist untergetaucht, doch eines Tages werde ich [ihn] finden und mich rächen.
  • Mein Ruf in der Unterwelt ist mein größtes Kapital. Ich würde niemals einen meiner Kontakte verraten, ein gegebenes Versprechen brechen oder eine Schuld nicht begleichen. Das gilt natürlich nur unter Dieben, alle anderen sind Freiwild.
  • Einmal ein Freund, immer ein Freund. Egal was meine Freunde anstellen, ich halte immer zu ihnen.
  • In dieser Welt muss man hart sein, um zu überleben. Ich darf nicht zulassen, dass Liebe, Mitleid oder andere Sentimentalitäten mich bremsen.

(Für den Spy könnten die Beispiele beim Charlatan oder Soldier besser passen.)

Entertainer

  • Eines Tages werde ich vor dem [Souverän] auftreten und den ganzen Hofstaat in Verzückung versetzen. 
  • Ich habe meinen Vater nie gekannt, und bin jetzt auf der Suche nach ihm.
  • Mein Idol ist eine große, aber unbekannte Künstlerin, die vor Jahren spurlos verschwand. Ich bin sicher, dass sie noch lebt, und habe geschworen, sie zu finden und dazu zu bringen, ihr Magnum Opus zu vollenden.
  • Ich sammle [weibliche] Eroberungen wie Trophäen, aber ich würde mich niemals an [eine Frau] binden. Ehrlich gesagt traue ich ihnen nicht.
  • Keine Kunst ohne Schmerz. Leidenschaft kommt von Leiden, Glück ist für andere. Ich will immer das, was ich nicht habe, und wenn ich es habe, bin ich seiner schon überdrüssig.
  • Ich bin ein hoffnungsloser Romantiker. Jede neue Flamme ist die große Liebe, und am Ende ist mein Herz gebrochen.

Folk Hero

  • Meine Heimat liegt im Einflussbereich eines [legendary Monster]. Eines Tages werde ich es zur Strecke bringen.
  • Meine [Jugendliebe/enge Verwandte] wurde von Sklavenjägern verschleppt. Ich habe die Fährte verloren, doch eines Tages werde ich [sie] finden und retten.
  • Meine Heimat wurde zerstört, ich konnte sie nicht retten. Ich sehne mich nach einer zweiten Chance, einer zweiten Heimat, genauso schlicht und unschuldig wie meine alte, und dieses Mal werde ich nicht versagen.
  • Das Gesetz der Gastfreundschaft ist mir heilig. Ich würde es nie verletzen.
  • Ich bin ein Sturkopf. Ich lasse mir nicht herumkommandieren, und wenn ich mir eine Sache einmal in den Kopf gesetzt habe, bin ich nicht davon abzubringen.
  • Ich liebe es, als Held gesehen zu werden, den Applaus, den Respekt. Ich spiele mehr die Rolle, als dass ich tatsächlich heldenhaft bin. In Wirklichkeit will ich mich nicht für andere aufopfern, ich will das Gold, den Ruhm und das Mädchen dazu.

Guild Artisan

  • Eines Tages werde ich ein nie gesehenes Meisterwerk für den [Souverän] anfertigen, und der ganze Hofstaat wird es bestaunen.
  • Ich bin ein Bewunderer und Sammler der größten Werke meiner Zunft. Eines Tages wird meine Sammlung die Bedeutendste im ganzen Reich sein.
  • Ich habe mein Handwerk von [meinem Vater] gelernt, doch [er] wurde von einem Kunden ermordet, der den gerechten Lohn nicht zahlen wollte. Eines Tages werde ich den Mörder finden und seiner gerechten Strafe zuführen.
  • Mir geht es ums Geschäft, mein Handwerk ist nur Mittel zum Zweck. Alles, was ich tue, richtet sich nach den Grundsätzen der Ökonomie und des Profits.
  • Ich bin ein Sturkopf. Ich lasse mir nicht herumkommandieren, und wenn ich mir eine Sache einmal in den Kopf gesetzt habe, bin ich nicht davon abzubringen.
  • Die Zunft [bzw. Gilde] ist mein Leben. Ich werde alles für das Ansehen und den Einfluss der Zunft tun und Anweisungen meiner Vorgesetzten stets Folge leisten.

Hermit

  • Ich habe die Einsamkeit verlassen, nachdem ich eine Vision hatte, in der ich [verschollenes Artefakt meines Gottes] in den Händen halte. Ich glaube, es war eine prophetische Vision. Es ist meine Bestimmung, dieses Artefakt zu finden.
  • Als ich fortging, ließ ich [Frau und Kind] zurück. Ich konnte damals nicht anders, doch heute bereue ich es. Ich weiß nicht, wo sie sind, doch ich hoffe, sie zu finden und meinen Fehler wieder gutzumachen.
  • Jemand hat [meine Familie] grausam ermordet. Ich spürte eine große Dunkelheit in mir und ging in die Einsamkeit, um mich von ihr zu reinigen. Doch es hat nicht funktioniert. Ich brenne noch immer auf Rache, und eines Tages werde ich sie bekommen.
  • Vergebung ist der Schlüssel zur Seligkeit. Ich habe meinen Geist von jedem Gefühl von Hass, Zorn oder Rachedurst gereinigt. Wer mich um Vergebung bittet, der wird sie erhalten, was er auch getan haben mag.
  • Die Wahrheit muss ans Licht. Ich verberge nichts und halte nichts geheim.
  • Einsamkeit ist Stärke. Ich gehe keine festen Bindungen ein und erlaube mir nicht, etwas für andere zu empfinden.

Noble

  • Meine Familiensitz liegt im Einflussbereich eines [legendary Monster]. Eines Tages werde ich es zur Strecke bringen.
  • [Artefakt] wurde seit Generationen in unserer Familie weitergegeben, doch [mein Großvater] hat es verloren, und seitdem ist unser Haus vom Pech verfolgt und in Ungnade gefallen. Ich werde es wiederfinden.
  • Ich bin verliebt in [die Tochter] des [Souverän/sehr hochrangiger Adliger]. Eines Tages werde ich [ihr] Herz erobern und mich [ihrer] als würdig erweisen, und dann gibt es eine Hochzeit, von der die Barden noch Generationen später singen werden.
  • Mein guter Name ist mir heilig. Ich werde stets mein Wort halten, mich züchtig verhalten und äußerst vorsichtig mit zweifelhafter Gesellschaft sein. Und wenn nicht, darf es nie jemand erfahren. 
  • Alles für das Haus. Ich werde alles für das Ansehen und den Einfluss des Hauses tun und Anweisungen des Oberhauptes stets Folge leisten. 
  • Ich bin ein hoffnungsloser Romantiker. Jede neue Flamme ist die große Liebe, und am Ende ist mein Herz gebrochen.

Outlander

  • Sie halten mich für einen primitiven Barbaren, doch sie werden mich respektieren lernen. Eines Tages bin ich [zur Klasse passende hohe gesellschaftliche Stellung].
  • Meine [Jugendliebe/enge Verwandte] wurde von Sklavenjägern verschleppt. Ich habe die Fährte verloren, doch eines Tages werde ich [sie] finden und retten.
  • Meine Heimat wurde zerstört, ich konnte sie nicht retten. Ich sehne mich nach einer zweiten Chance, einer zweiten Heimat, genauso wild und frei wie meine alte, und dieses Mal werde ich nicht versagen.
  • Ich kann nie lange an einem Ort bleiben, das Fernweh zieht mich weiter. Ich gehe keine Verpflichtungen ein und besitze nur, was ich tragen kann.
  • Ich bin ein Sturkopf. Ich lasse mir nicht herumkommandieren, und wenn ich mir eine Sache einmal in den Kopf gesetzt habe, bin ich nicht davon abzubringen.
  • In dieser Welt muss man hart sein, um zu überleben. Ich darf nicht zulassen, dass Liebe, Mitleid oder andere Sentimentalitäten mich schwach machen.

Sage

  • Seit Jahren studiere ich das verschollene [Artefakt] und trage sämtliche Hinweise auf seinen Verbleib zusammen. Eines Tages werde ich es in Händen halten.
  • Schon seit meiner Kindheit fasziniert mich [alte Kultur/vergessene Kunst], und eines Tages werde ich ihre Geheimnisse ergründen und niederschreiben. Mein Buch wird noch in vielen Generationen das Standardwerk zu diesem Thema sein.
  • Ich hatte eine Mentorin, eine große Gelehrte, die vor Jahren spurlos verschwand. Ich bin sicher, dass sie noch lebt, und habe geschworen, sie zu finden und dazu zu bringen, ihr Magnum Opus zu vollenden.
  • Für die Erkenntnis müssen manchmal Opfer gebracht werden. Ein Forscher darf keine Skrupel haben, das Wissen muss ihm über alles gehen.
  • Die Wahrheit muss ans Licht. Ich verberge nichts und halte nichts geheim.
  • Ich bin ein kühler Analytiker und glaube an die überlegene Kraft der Logik. Gefühlen misstraue ich und gestatte sie mir nicht.

Sailor

  • Eines Tages werde ich ein unbekanntes Land entdecken und erforschen, und mein Name wird auf den Landkarten stehen.
  • Einst ließ ich [Frau und Kind] im Hafen zurück. Ich konnte damals nicht anders, doch heute bereue ich es. Ich weiß nicht, wo sie sind, doch ich hoffe, sie zu finden und meinen Fehler wieder gutzumachen.
  • Ich habe meinen Vater nie gekannt, und bin jetzt auf der Suche nach ihm.
  • Ich sammle [weibliche] Eroberungen wie Trophäen, aber ich würde mich niemals an [eine Frau] binden. Ehrlich gesagt traue ich ihnen nicht.
  • Einmal ein Freund, immer ein Freund. Egal was meine Freunde anstellen, ich halte immer zu ihnen.
  • Ich kann nie lange an einem Ort bleiben, das Fernweh zieht mich weiter. Ich gehe keine Verpflichtungen ein und besitze nur, was ich tragen kann.

Soldier

  • Ich will mir unbedingt einen Namen machen (vielleicht ein “Kampfname”). Ich Sorge dafür, dass meine Taten bekannt werden, und wenn ich sie dafür aufpolieren oder notfalls erfinden muss, so sei es.
  • Bei einem Einsatz im Feindesland hatte ich eine Romanze, aus der ein Kind entsprang. Dies weiß ich aus einem Brief, den ich immer bei mir trage. Ich weiß nicht, wo mein Kind und [seine Mutter] jetzt sind, doch ich hoffe, wir können eines Tages als Familie zusammen sein.
  • Ich habe für eine böse Sache gekämpft, bis ich es nicht mehr aushielt. Tief in mir glaube ich, dass ich keine Vergebung verdiene, dennoch suche ich sie.
  • Ich bin ein Söldner, ich kenne keine Loyalität. Ich diene einer Sache nur, wenn und solange die Bedingungen stimmen. Auf keinen Fall darf ich mich emotional an eine Sache binden.
  • Ich lasse niemals einen Kameraden zurück, unter keinen Umständen.
  • Alles für das Reich. Ich werde alles für das Ansehen und den Einfluss des Reiches tun und Anweisungen von Offizieren oder Vertretern des [Souverän] stets Folge leisten. 

Urchin

  • Ich bin als Waisenkind aufgewachsen, doch es gibt Hinweise, dass meine Eltern noch leben. Ich weiß nicht genau, wer sie sind, doch eines Tages werde ich es herausfinden, und sie zur Rede stellen.
  • Ich bin ein Kind aus einer wichtigen Familie in einem fernen Land, doch jemand betrog mich um mein Erbe und ermordete meine Eltern, als ich noch klein war. Sie halten mich für tot, doch eines Tages werde ich die Wahrheit ans Licht bringen und den Mörder seiner gerechten Strafe zuführen. 
  • Als Straßenkind hatte ich einen [besten Freund/Bruder/Schwester]. Wir waren immer zusammen. Doch eines Tages verschwand [er] spurlos. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass [er] lebt und ich [ihn] eines Tages wiederfinde.
  • Einmal ein Freund, immer ein Freund. Egal was meine Freunde anstellen, ich halte immer zu ihnen.
  • Ich weiß, wie es ist, ganz unten zu sein, und ich werde immer meine Stimme für die erheben, die keine eigene Stimme haben.
  • In dieser Welt muss man hart sein, um zu überleben. Ich darf nicht zulassen, dass Liebe, Mitleid oder andere Sentimentalitäten mich verwundbar machen.

Diskussion im Forum

Pimp my D&D5: Personality Traits

Bisher in dieser Reihe:
Inspiration and Personality

Wer seine Kampagne dramaturgisch aufpimpen möchte, sollte bereits bei der Charaktererschaffung ansetzen und insbesondere die Personal Characteristics unter die Lupe nehmen. Wir beginnen mit den Personality Traits. Aus dramaturgischer Sicht haben diese zwei Funktionen:

Charakterisierung

Echtes Drama macht nicht bei der oberflächlichen Charakterisierung einer Figur halt, doch es darf sie auch nicht vernachlässigen. Ein glaubwürdiger Charakter sollte in seinem Auftreten und Verhalten konsistent und wiedererkennbar sein. Personality Traits bieten hierfür ein gutes Werkzeug, wenn man sie richtig, nämlich pointiert, wählt. In einer typischen D&D-Runde ist zwischen Action, Exploration und Regelwerk nur wenig Raum für Charakterdarstellung. Eine komplexe, nuancierte Charakterisierung der Figur würde untergehen. Die Kunst ist daher, mit ein oder zwei pointierten Eigenheiten, auf die man immer wieder zurückgreift, dennoch ein klares und einprägsames Bild des Charakters zu zeichnen. Hierzu sollten Personality Traits ein ganz konkretes, gut darstellbares Verhalten beschreiben.

Als Spieler solltest du dir überlegen, wie ernst oder humorvoll du deinen Charakter darstellen möchtest. Slapstick und übertriebene Albernheit finde ich eher anstrengend, doch ansonsten ist Humor ein guter Weg, deinen Charakter sympathisch zu machen. Da besteht kein Widerspruch zum dramaturgischen Spiel, Humor passt gut zu den tempo- und actionreichen Geschichten, die D&D normalerweise erzählt. Manche DMs zielen jedoch auf eine ernstere Atmosphäre (z.B. Dark Fantasy oder Horror), das wird dir dein DM dann schon sagen und dann sind humorvolle Personality Traits eher unangemessen.

Komplikationen

Jeder Personality Trait kann mal Quelle von Komplikationen sein. Wenn das geschieht, erhält der Spieler Inspiration. Einige Personality Traits sind speziell auf Komplikationen ausgelegt, diese nenne ich schlechte Angewohnheit (und der Übergang zum Flaw ist im Einzelnen fließend). Schlechte Angewohnheiten werden regelmäßig für Konflikte mit den anderen SCs oder auch mit verbündeten NSCs sorgen. Solche Konflikte können das Spiel interessanter machen, man muss dabei aber die richtige Balance finden, damit es nicht anfängt zu nerven. Nicht jeder in der Gruppe muss schlechte Angewohnheiten haben, manche Charaktere sind grundsympathische, umgängliche Typen und das ist auch völlig okay. Wenn du einen deiner Personality Traits für eine schlechte Angewohnheit verwenden willst, empfehle ich dir, auf folgendes zu achten:

  • Stimme dich mit deinen Mitspielern und dem DM ab und gehe sicher, dass sie cool damit sind.
  • Nimm nie für beide Personality Traits eine schlechte Angewohnheit. Statte deinen Charakter mit Redeeming Qualities aus, die ihn trotz seiner schlechten Angewohnheit noch zu einem Sympathieträger machen.
  • Behalte den Spielfluss im Auge und übertreibe es nicht mit dem Ausspielen deiner schlechten Angewohnheit.
  • Überlege, ob dein Charakter versucht, sich zu bessern und seine schlechte Angewohnheit zu überwinden. Ob es ihm gelingt oder nicht, muss sich aus dem Spiel ergeben. Wenn es ihm gelingt, wähle einen neuen Personality Trait.

Für den DM ist eine schlechte Angewohnheit eine Einladung, den SC in Situationen zu bringen, in denen die schlechte Angewohnheit zum Problem wird. Wichtig: Ob der SC seiner schlechten Angewohnheit nachgibt oder sich im Griff hat, entscheidet allein der Spieler. Gibt er ihr nach, erhält er Inspiration, allerdings hat sein Verhalten auch Konsequenzen. 

Warte als DM zunächst ab, wie die anderen SCs auf die schlechte Angewohnheit reagieren. Ggf. ergibt sich bereits hieraus genug Konflikt und Drama, und du musst höchstens mal ein bisschen Öl ins Feuer gießen. Wenn die anderen SCs sich jedoch mit der schlechten Angewohnheit arrangieren, sollte früher oder später ein wichtiger verbündeter NSC auftauchen, der dies nicht so einfach tut.

Beispiele

Schauen wir uns die Beispiele aus dem PHB zu den einzelnen Backgrounds einmal an. Zu jedem Personality Trait solltest du dir als Spieler ein paar konkrete Gedanken machen, wie du diesen im Spiel darstellen willst. Am Besten notierst du dir 2-3 typische Zitate.

Acolyte

Die Beispiele im PHB (p. 127) sind okay für die o.g. Zwecke. Die Nr. 6 in der Variante “intolerant” wäre eine schlechte Angewohnheit, genau wie die Variante 8, falls sich die Weltfremdheit in einem besonders arroganten und/oder naiven Verhalten äußert, das dem Charakter regelmäßig Ärger einhandelt.

Charlatan

Die Beispiele (p. 128) sind weitgehend gut, die 5 (lügt), 6 (beleidigt andere) und 8 (klaut) sind ziemlich schlechte Angewohnheiten, passt im Genre aber zu diesem Archetyp, wichtig ist dabei das Augenmaß. Der Charakter sollte die anderen SCs nicht so sehr anpissen, dass sie ihn, wenn sie konsequent wären, eigentlich aus der Gruppe werfen müssten. Die 4 (Zocker) ist zu breit, du solltest sie für dich konkretisieren. Bist du ein Adrenalinjunkie, der mit seinem Leben spielt (dann auch schlechte Angewohnheit, eigentlich schon ein Flaw)? Versuchst du ständig, über alles Wetten abzuschließen? Hast du immer deinen Glückswürfel dabei und befragst diesen vor wichtigen Entscheidungen?

Criminal

Von den Beispielen (p. 129) finde ich die 1 und die 3 schwach, diese sind schlecht darzustellen und gehen beide in die gleiche Richtung des vorsichtigen/cleveren Verbrechers, dem nichts entgeht und der sorgfältig plant. Ich würde beides in einem aktiveren, besser darzustellenden Punkt zusammenfassen und einen ganz neuen Punkt hinzufügen:

  • 1: Ich stelle für alles Pläne auf und verteile die Rollen. Ich kann es nicht ausstehen, wenn meine Gefährten meine Pläne nicht befolgen oder ohne gute Planung losschlagen.
  • 3: Ich kann Reiche und Adlige nicht ausstehen, die sind für mich die wirklichen Kriminellen. Ich lasse keine Gelegenheit aus, sie zu bestehlen oder zu blamieren.

Die 4 (mache lieber neue Freunde als neue Feinde) muss, damit sie funktioniert, aktiv ausgelegt werden: Du versuchst ständig aktiv, Freunde zu gewinnen, mit anderen Worten, du bist ein Netzwerker. 5-8 gehen alle als schlechte Eigenschaften durch, die 5 (slow to trust) sollte wiederum nicht passiv ausgelegt werden, sondern als aktive Paranoia. Die 7 ist besonders dankbar in einer humorvollen Runde (“NIEMAND nennt mich feige Sau!”)

Entertainer

Von den Beispielen (p. 130) finde ich die 8 (Stimmungsschwankungen) problematisch, um plötzliche Stimmungswechsel regelmäßig darzustellen, müsste man ja erst einmal die vorherige Stimmung als Plattform aufbauen, um diese dann mit der neuen Stimmung einzureißen, dafür wird in einer D&D-Runde selten Raum sein. Außerdem wirkt der Charakter dadurch eher beliebig als konsistent. Ich würde das ersetzen durch:

  • 8: Ich werde oft aus nichtigem Anlass melancholisch und bin nah am Wasser gebaut.

Der Rest passt, wiederum ist auf eine aktive Auslegung zu achten, das gilt insbesondere für die 2 (du bist, kurz gesagt, ein Klatschmaul) und die 4 (du versuchst jeden Streit sofort zu schlichten). Die 6 (will immer im Mittelpunkt stehen) und 7 (Perfektionist) sind schlechte Angewohnheiten.

Folk Hero

Beim Folk Hero sind die Beispiele (p. 131) weniger gut gelungen, die meisten sind eigentlich Überzeugungen und keine charakteristischen Verhaltensweisen, die sich gut darstellen lassen. Die 6-8 sind okay, wenn sie aktiv ausgelegt werden. Für den Rest schlage ich als Ersatz vor:

  • 1: Ich versuche, Dinge, die ich nicht kenne, zu verstehen, indem ich sie mit Dingen aus meinem Dorf vergleiche und eine Geschichte dazu erzähle.
  • 2: Ich mag aus einfachen Verhältnissen kommen, aber meine Eltern haben mir beigebracht, was sich gehört. Ich biete immer meine Hilfe an, vergesse niemals, Danke zu sagen, bin reinlich und bete vor dem Essen.
  • 3: Ich stehe zu meinem Wort, gebe es häufig und werde wütend, wenn jemand es anzweifelt.
  • 4: Ich bin ein Landei. Ich weiß nicht, wie man sich in der Stadt oder bei Hofe benimmt und es ist mir auch egal, ich behandle die ganze Welt wie mein Dorf.
  • 5: Ich bin ein unverbesserlicher Optimist, glaube stets an das Gute im Menschen und versuche stets, andere aufzumuntern, wenn sie niedergeschlagen sind.

Dann wäre die 4 eine schlechte Angewohnheit und ggf. die 8 (schnell gelangweilt), wenn man sie so auslegt, dass der Charakter, sobald ihm langweilig ist, anfängt, Dummheiten anzustellen.

Guild Artisan

Die Beispiele (p. 133) sind gut, die 5 (unhöflich) würde ich allerdings so auslegen, dass sie sich quasi auf alle bezieht, außer auf die paar wenigen Auserwählten, die es sich in deinen Augen verdient haben, als Gleichgestellte betrachtet zu werden. Zu allen anderen bist du grob und unhöflich. Das ist dann natürlich auch eine schlechte Angewohnheit.

Hermit

Die Beispiele (p. 134) sind okay, die 1 (schweigsam) würde mir persönlich auf Dauer keinen Spaß machen, das sollte man sich gut überlegen, oder mit dem DM besprechen, dass man nach einer Weile “auftauen” könnte und dann einen neuen Trait wählt. Die 4 (empathisch) muss aktiv ausgelegt werden, also du fühlst nicht nur Empathie, du redest auch ständig darüber, wie arm diese Leute dran sind. Die 5 (keine Ahnung von Etikette) kann eine schlechte Angewohnheit sein wie bei den anderen zivilisationsfremden Backgrounds auch. Die 7 (gedankenverloren) muss auch gezielt ausgespielt werden und hat dann auch eher einen humorvollen Touch, genau wie die 6. Für die 3 und die 8 würde ich empfehlen, einschlägige Zitatseiten oder -bücher nach passenden “weisen Sprüchen” zu durchsuchen und ein paar davon vor dem Spiel zu notieren.

Noble

Die Beispiele (p. 135) sind durchwachsen. Die 4 und 5 sind eigentlich fast das gleiche und lassen sich in eins zusammenfassen (du bist ein Gockel). 6 und 7 sind eher Überzeugungen. Außerdem ist die 6 (hält sich nicht für was Besseres) kaum darzustellen, das Besondere ist ja in dem Falle schlicht, dass du dich ganz normal verhältst. Und die 7 ist sehr situativ, sodass man selten Gelegenheit hätte, sie auszuspielen. Stattdessen schlage ich drei neue Punkte vor:

  • 5: Du bist stolz auf deine gute Ausbildung und deine eiserne Disziplin. Du bist stets beherrscht, tust alles akribisch und sagst oft Dinge wie: “Ein [Name deines Hauses] würde nicht…”
  • 6: Du bist überaus patriotisch, benutzt sehr oft den Namen des Souveräns, sprichst von Ritterlichkeit, die Flagge ist dir heilig und du pflegst die Rituale deines Standes.
  • 7: Du verachtest deinen eigenen Stand, redest oft über die Verderbtheit des Adels und bist ein ausgemachter Zyniker.

Auch die übrigen Punkte sind sehr abstrakt formuliert und bedürfen der Konkretisierung auf ein tatsächliches darstellbares Verhalten:

  • 2: Du bist freundlich zu den einfachen Leuten, mit denen du zu tun hast, gibst oft Almosen, handelst nicht oder bezahlst sogar mehr, als gefordert war.
  • 3: Du bist arrogant und selbstverliebt (schlechte Angewohnheit).
  • 8: Du bist stolz, aufbrausend, leicht beleidigt und sehr nachtragend (schlechte Angewohnheit).

Outlander

Die Beispiele für den Outlander (p. 137) sind ebenfalls durchwachsen. Die Hälfte davon ist Backstory oder Überzeugung. Richtig charakteristisches Verhalten sind überhaupt nur 4 und 6, wobei 6 (hebt planlos Sachen auf, macht sie manchmal kaputt) eher humoristisch ist. Mit gutem Willen gehen 2, 5, 7 und 8 noch durch, wenn man es großzügig auslegt: 

  • 2: Du bist eine Glucke.
  • 5: Du hältst reiche und wohlgesittete Leute für verweichlicht und nutzlos und lässt sie das auch bei jeder Gelegenheit spüren (schlechte Angewohnheit).
  • 7: Du redest mit Tieren, auch wenn sie dich nicht verstehen und auch wenn Menschen das mitkriegen. Du isst kein Fleisch, bist gegen jede Form von Tierquälerei bei Nutztieren, und gefangene Wildtiere lässt du frei, auch wenn ihr Besitzer das nicht witzig findet (“sie gehören nicht in einen Käfig”).
  • 8: Du verhältst dich nicht ganz menschlich, zeigst Dominanz- und Rudelverhalten wie ein Wolf, sprichst schleppend wie jemand, der die Sprache zu spät gelernt hat. 

Hier meine Alternativvorschläge für den Rest:

  • 1: Ich bin sehr neugierig und kann einem Rätsel oder einem unbekannten Ort nicht widerstehen.
  • 3: Ich opfere mich für andere auf und kann nicht nein sagen.

Sage

Die Beispiele (p. 138) sind gut, bei 4 und 5 wieder der obligatorische Hinweis auf aktive Auslegung (4: Du bist neugierig, du musst immer allem auf den Grund gehen; 5: Du bremst andere, wenn sie voreilige Schlüsse ziehen, du bestehst darauf, alle Beteiligten zu hören / alle Informationen zu sammeln). 6-8 können schlechte Angewohnheiten sein.

Sailor

Hier sind die Beispiele (p. 139) wieder etwas durchwachsen, 1 ist Überzeugung, 5 ist sehr situativ und lässt sich eigentlich auch mit 3 zusammenlegen. Hier meine Alternativvorschläge:

  • 1: Ich bin der “gute Geist” der Mannschaft, ich versuche immer, für gute Stimmung zu sorgen. Ich weiß darüber bescheid, wenn irgendwer Kummer hat, und bin mit einer Buddel Rum (oder Met) zur Stelle.
  • 5: Ich bin schrecklich abergläubisch und prophezeie ständig großes Unglück.

Und hier ein paar Auslegungshilfen für den Rest:

  • 3: Du nimmst jede Taverne, jedes Besäufnis und jede Schlägerei mit, die du nur kriegen kannst.
  • 4: Du spinnst ständig das allergröbste Seemannsgarn.
  • 8: Du bist stinkefaul und versuchst dich zu drücken, wo du nur kannst (schlechte Angewohnheit).

Soldier

Noch mehr durchwachsene Beispiele (p. 140), 2 und 3 sind sehr ähnlich und auch ein bisschen Spaßverderber, einige andere muss man großzügig auslegen, um sie zu retten. Hier meine Ersatzvorschläge:

  • 2: Ich bin ein zynischer Veteran mit einem schwarzen Sinn für Humor, der Spaß daran hat, die zartbesaiteteren seiner Gefährten mit seinen Geschichten zu verstören, und der sich schwer damit tut, sich zu öffnen.
  • 3: Kameradschaft ist mir sehr wichtig, ich bekunde sie oft und gehe für meine Gefährten durchs Feuer, aber ich erwarte von ihnen das gleiche, und dulde kein egoistisches Verhalten.

Und hier meine großzügigen Auslegungsvorschläge:

  • 1: Du bist ein zackiger, gehorsamer Soldat.
  • 5: Du kennst keine Angst und machst eine ziemliche Show darum, dass du vor nichts Angst hast. Du kannst keiner Mutprobe widerstehen.
  • 6: Du spielst gerne den starken Mann und du machst gerne Sachen kaputt, auch wenn sie jemand anders gehören. Du bist ein Bully (schlechte Angewohnheit).
  • 8: Du hast keine Geduld für das Gelaber deiner Gefährten und schreitest auch schon mal einfach zur Tat, während die anderen noch planen (schlechte Angewohnheit).

Urchin

Die Beispiele (p. 141) sind okay, 3 und 4 kann man zusammenlegen. Ersatzvorschlag:

  • 4: Ich zeige allen, dass ich keine leichte Beute bin. Ich verhalte mich bedrohlich, starre herausfordernd, provoziere, trage Waffen und Narben offen.

5-8 sind schlechte Angewohnheiten. Vorsichtshalber zu zweien noch mal die aktive Auslegung:

  • 6: Du bist paranoid.
  • 7: Du stinkst! 

Kommentare im Forum

Pimp my D&D5: Inspiration and Personality

Wie bereits festgestellt, ist Story in D&D5 durchaus erwünscht. Eine der wichtigsten Stellschrauben für story-orientiertes Spiel ist Inspiration. Inspiration ist eine dieser Regeln, die den DM und die Gruppe geradezu auffordern, ihre eigene Auslegung und Anwendung der Regel und damit ihren eigenen Stil zu definieren. Jedes gute Rollenspiel sollte solche Regeln haben: Sie erzeugen ein Vakuum, das gefüllt werden will, und helfen so der Gruppe, das Spiel zu ihrem eigenen zu machen. Die Frage ist nur, womit füllt ihr das Vakuum? Also, nehmen wir mal an, ihr seid wie ich und mögt Drama.

Inspiration dramaturgisch vergeben

Der DMG (p. 240) gibt bereits gute Hinweise, wofür man Inspiration vergeben könnte. Insbesondere nämlich für das Ausspielen der Personal Characteristics (“Roleplaying”). Allerdings sind nur wenige der im PHB genannten Beispiele für Personal Characteristics wirklich Drama-tauglich. Wir werden uns daher noch vertieft mit ihnen befassen. Wichtig ist: Für Drama reicht es nicht aus, einfach ein paar Marotten in immer gleicher Weise darzustellen. Inspiration für Rollenspiel solltest du nur dann vergeben, wenn das Ausspielen einer Personal Characteristic eine Komplikation erzeugt.

Darüber hinaus empfehle ich, auch die “Heroism”-Option aus dem DMG zu verwenden, die Wagemut belohnt und Risiken abfedert. Letztendlich ist D&D5 (anders als OD&D) ein cinematisches Action-Rollenspiel, daher scheint es mir naheliegend, turbulente Action zu belohnen und nicht minutiöse Planung. In Danger Zone spreche ich von der “Harrison-Ford-Regel”: Würde ein von Harrison Ford gespielter Charakter es tun? Dann belohne es. Das kann eine waghalsige, überstürzte oder heldenhafte Aktion sein, oder auch dieser markige Spruch, den die ganze Gruppe feiert.

In D&D5 kann man Inspiration nicht ansammeln. Man ist entweder inspiriert, oder man ist es nicht. Der DMG empfiehlt, Spielern etwa 1x pro Sitzung Inspiration zu geben. Allerdings: Wenn man das so handhabt, werden Spieler, wenn sie erst einmal Inspiration bekommen haben, diese aufheben für den entscheidenden Moment™, und in der Zwischenzeit haben sie keinen Anreiz, inspirationswürdig zu spielen. Daher würde ich empfehlen, Inspiration höher zu takten und bis zu 1x pro Szene zu vergeben. Hierdurch werden Spieler motiviert, Inspiration rauszuhauen und sich dann wieder neu zu verdienen.

Am Besten sollte man Inspiration durch einen Chip mit verschiedenfarbigen Seiten tracken. Dieser wird jedes mal umgedreht, wenn der Spieler Inspiration einsetzt bzw. erhält. Er sollte möglichst prominent platziert werden, sodass er die Spieler aktiv daran erinnert, Inspiration einzusetzen bzw. sich Inspiration zu verdienen. Die Erfahrung lehrt, dass ein DM viele Dinge gleichzeitig im Auge behalten muss und daher leicht einmal vergessen kann, eine Belohnung wie Inspiration zu vergeben. Ermutige daher deine Spieler, Inspiration aktiv für sich oder auch für andere Spieler einzufordern, wenn sie meinen, sie verdient zu haben.

Aber Obacht: Vergib Inspiration nicht für jeden Scheiß. Der Belohnungsmechanismus soll helfen, euer Spiel durch ernsthaft dramatische Aktionen zu bereichern, und nicht sinnlosen, effektheischenden Aktionismus befördern. Sei großzügig, aber nicht beliebig! Wer Qualität will, muss Standards haben.

Personal Characteristics dramaturgisch pimpen

Es gibt Rollenspiele, die quasi die gesamte Story aus den persönlichen Hintergründen und Zielen der Charaktere speisen. Zu diesen Rollenspielen gehört D&D aber nicht. Charaktere in D&D sollten so ausgelegt sein, dass sie sich mit anderen zu einer Gruppe zusammenschließen und auf Abenteuer ausziehen. Background und Personal Characteristics dürfen dem nicht entgegenstehen. Wenn du mit einer Backstory ankommst, aus der sich ergibt, dass deine kleine Schwester gestern von Orks entführt und ins Underdark verschleppt wurde, die Spur also noch heiß ist, dein DM aber geplant hat, die Gruppe auf eine lange Queste in ferne Länder zu schicken, dann passt das nicht zusammen. Insofern ist eine gewisse Zurückhaltung und/oder Abstimmung mit dem DM geboten. Trotzdem lassen sich die Personal Characteristics erheblich stärker dramatisieren, als es die meisten Beispiele im PHB tun. 

Drama besteht aus Konflikt. Äußere Konflikte hat D&D reichlich, Charaktere haben mit Monstern, bösen NSCs und einer gefährlichen Umwelt zu kämpfen. Personal Characteristics können zwei Dinge zum Drama beitragen:

  • Motivation. All die äußeren Konflikte mögen als Puzzle oder Herausforderung ohne weiteres funktionieren, glaubwürdig und spannend im Sinne von Story werden sie aber erst dann, wenn die SCs einen wirklich guten Grund haben, sich in die Gefahr zu stürzen, und wenn in den Konflikten etwas auf dem Spiel steht, das den SCs wichtig ist. Für dramaturgisches Spiel sollten die Personal Characteristics daher gezielt so gewählt werden, dass der DM sie als Motivation für die äußeren Konflikte nutzen kann. Dazu gehört auch der Gruppenzusammenhalt. Kleine Sticheleien sind für viele Spieler Salz in der Suppe, doch letztendlich sollte eine D&D-Gruppe zusammenhalten, durch dick und dünn. Auch dafür können Personal Characteristics sorgen, und dann braucht der DM mit seinem Plot Hook nur noch einen der SCs zu greifen, die anderen werden automatisch mitgezogen.
  • Innerer oder persönlicher Konflikt. Geschichten sind packender und emotionaler, wenn sich der Protagonist nicht nur äußeren Gefahren entgegen stellen muss, sondern auch in seinen persönlichen Beziehungen oder in seinem eigenen Herzen Konflikte austrägt. Natürlich sollte er diese Konflikte dann beizeiten auch auflösen. Solche inneren und persönlichen Konflikte sind sicherlich nicht der Schwerpunkt einer D&D-Kampagne. Aber mit dem ein oder anderen persönlichen Subplot kannst du deine Kampagne schon dramaturgisch aufpimpen. Das erhöht die Identifikation mit den SCs und macht sie erinnerungswürdiger. Hierfür können die richtigen Personal Characteristics eine Steilvorlage liefern.

Ich werde daher jeder Personal Characteristic einen eigenen Blogpost mit entsprechend gepimpten Beispielen widmen. Wichtig ist außerdem die Verzahnung der Charakterkonzepte. Auf keinen Fall sollte jeder Spieler seinen SC im stillen Kämmerlein erstellen. Das empfiehlt sich auch schon deshalb, weil schließlich besprochen werden muss, wer in der Gruppe welche Aufgaben und Kompetenzen abdeckt. Und für mehr Drama kann man dann auch gleich Persönlichkeiten und Hintergründe aufeinander abstimmen. Nicht umsonst hat sich unter Erzählspielern eine Session Zero eingebürgert, und das ist auch für D&D eine gute Idee.

Kommentare im Forum

Storytelling und D&D

Unlängst wurde im Tanelorn mal wieder über Matt Mercer und Critical Role gesprochen. Dabei wurden zwei interessante Links geteilt, die mich zu diesem Beitrag veranlassen:

Fandom Uncovered: Dungeons & Dragons (YouTube)

Roll20 Statistik Q2 2019

Der erste Link lässt nicht nur das Rollenspielerherz stolz höher schlagen, was alleine schon Grund genug ist, sich die 30 Minuten mal anzuschauen. Sondern es ist auch auffällig, dass sämtliche zu Wort kommenden “Promis” einhellig auf die Frage, was denn besonders an Rollenspiel sei bzw. warum sie das spielen, den Aspekt “Storytelling” an erster Stelle hervorheben. Und die meisten sind eben D&D-Spieler bzw. DMs, wie ja auch Klassenprimus Matt Mercer. (Wer nicht weiß, wer Matt ist und welchen krassen Erfolg sein Streaming-Format Critical Role hat, kriegt dazu ebenfalls die wichtigen Infos im Video.)

Der zweite Link zeigt die Marktdominanz von D&D: Auf Roll20 waren in Q2 2019 51,9 % der Kampagnen D&D 5E, und weitere 6,5 % Pathfinder (Nr. 3 nach CoC). In Deutschland sieht es sicherlich noch mal ein bisschen anders aus, aber der US-Markt hat schließlich eine große Strahlkraft und Critical Role hat ja auch in Deutschland viele Fans. Ich möchte mich hier einmal an einer Interpretation versuchen, auch wenn dies notgedrungen ein bisschen ein Schuss ins Blaue ist.

1. Wargaming Style kommt nicht zurück

Unbeschadet kleiner gallischer Dörfer scheint mir die Schnittmenge von Wargaming und D&D oder gar Rollenspiel im Allgemeinen heutzutage vernachlässigbar. Das Wargaming-Mindset, das aus OD&D und AD&D noch herauszulesen ist, spielt weder bei Pathfinder noch bei 5E eine entscheidende Rolle. Das mag man, je nach Neigung, ggf. beklagen, aber zumindest die Roll20-Zahlen legen nahe, dass Wargaming-mäßiges Rollenspiel heute eine winzige Nische innerhalb des großen Hobbys darstellt. Die alten (A)D&D-Editionen und auch OSR-Titel spielen dort bei den Kampagnen nur eine marginale Rolle.

D&D geht heute einen anderen Weg. Allem Vernehmen nach ist dieser Weg kommerziell überaus erfolgreich und führt ganz nebenbei dazu, dass das Hobby mediale Aufmerksamkeit und sogar gesellschaftliches Ansehen erfährt wie nie zuvor. Es ist das zweite “Golden Age”, und ebenso wie das erste “Golden Age” Ende der 80er / Anfang der 90er glänzt es nicht durch eine Hinwendung zu den Ursprüngen, im Gegenteil. Die historischen Ursprünge des Hobbys vor 45 Jahren (!) dürften dem Durchschnittsspieler von heute furzegal sein, und das ist auch völlig legitim. Es darf bezweifelt werden, dass die heutige Rollenspielwelt nur darauf gewartet hat, endlich Wargaming-mäßig erleuchtet zu werden.

2. Story Games sind nicht die nächste Evolutionsstufe

Story Games mögen als Prototypen oder Konzeptstudien hier und da die Entwicklung des Hobbys als Ganzes beeinflusst haben, aber 20 Jahre nach Sorcerer und 10 Jahre nach Apocalypse World bleiben sie ebenso marginal wie die OSR. Indessen spielen die Leute unbekümmert 5E und feiern Matt Mercer als den perfekten DM. Die alte Forge-Doktrin von GNS und Inkohärenz interessiert sie dabei herzlich wenig. D&D ist fetziger geworden, jugendlicher, cinematischer, aber Miniaturenspiel und Kampftaktik, Charakterbau und Level-Up, Ausrüstung und Beute haben nichts von ihrer Anziehungskraft eingebüßt. Dies sind die über alle Maßen erfolgreichen Kassenschlager von D&D, die die gesamte Videospielbranche nachhaltig geprägt haben. Das ist das Spiel, das wollen die (allermeisten) Leute spielen. Klar, die Marktdominanz und Bekanntheit von D&D an sich erzeugt schon eine Menge Gravitation. Aber sowohl die medialen Beiträge als auch die Anekdoten aus dem persönlichen Umfeld, die ich kenne, deuten alle darauf hin, dass die Leute 5E echt abfeiern.

Als ich das erste Mal ein Abenteuer-Spielbuch von Ian Livingstone aufschlug, waren es die immersive Fantasy-Geschichte und das Spiel, die mich faszinierten. Das Spiel ging um Erfolg und Misserfolg, Leben und Tod. Es interagierte mit der Geschichte, aber sie waren nicht deckungsgleich. Der Ansatz der Forger und Story Gamer, hier einen schädlichen Widerspruch zu erblicken und beides in Einklang bringen, kohärent machen zu wollen, hat sich nicht durchgesetzt und wird sich auch nicht durchsetzen. Story Games sind ja nicht schwer zu finden, ihre Fangemeinde ist ja online sehr laut und umtriebig (ebenso wie die der OSR). Aber die Roll20-Zahlen rücken den ganzen TamTam in eine deutliche Perspektive.

3. Hätten Sie gerne eine Portion Story zu Ihrem D&D? 

Spätestens zu 3E-Zeiten wurde anhand der Adventure Paths das Prinzip “mit der Eisenbahn zum Dungeon-Eingang” hoffähig gemacht, das ist ja längst ausgewertet. Bei Critical Role kann man ebenso das Skript im Einsatz beobachten. “Zwischen Kämpfen” wird erzählerisch gespielt. Matt ist dabei in der Lage, aufzugreifen und einzuweben, was die Spieler tun und was die Würfel sagen. Er ist großzügig, aber er lässt nicht jeden Schwachsinn durchgehen. Das ist das Handwerkszeug eines guten erzählerischen Spielleiters. (Nur die Monologe sind zu lang.) Zugleich wird das In-Character-Spiel sehr stark betont. Slapstick und generell Humor wie auch Popkultur-Referenzen stehen bei den Spielern hoch im Kurs, der DM aber nimmt seine Welt und das Spiel durchaus ernst.

Man darf wohl davon ausgehen, dass Critical Role nicht nur wegen der Voice-Acting-Qualitäten der Darsteller so beliebt ist, sondern auch deswegen, weil sich die Zuschauer mit dieser Art zu spielen identifizieren können. Das legt den Schluss nahe, dass, wenn man die dem Format geschuldeten Eigenheiten herausfiltert, Critical Role schon dem nahe kommt, wie der heutige Mainstream sich eine gute D&D-Runde vorstellt. Ich fühle mich dabei stark an Joels D&D-Runde in Weregeek erinnert (die übrigens seit 3E-Zeiten existiert).

Und die DM-Tipps auf YouTube zeigen: Die Leute wollen wissen, wie sie ihre SCs interessanter ausgestalten können, wie sie in Darstellung und Beschreibung besser werden können, wie sie es schaffen, dass ihre Plots spannend und packend und glaubwürdig sind, wie sie ihr Pacing verbessern können, mit welchen erzählerischen Kniffen sie ihre D&D-Kampagne aufpeppen können. Und sie wollen D&D spielen. Ich halte es für fernliegend, davon auszugehen, dass die einfach nur alle zu doof sind. Die wollen das so, das haben wir zur Kenntnis zu nehmen.

4. Was folgt nun daraus?

Für mich folgt daraus, den eigenen Missionierungseifer zu abseitigen Spielen zu bremsen und wenn möglich eher allgemeingültige Tipps zu geben, die für einen Wannabe-Mercer-5E-DM von Nutzen sind. Außerdem werde ich noch mal darüber nachdenken, D&D 5E eine Chance zu geben. Und kurzfristiger werde ich, auch ohne 5E, auf dem nächsten Tanelorn-Treffen eine Runde mit epischem Drama und epischem Mini-Schubsen anbieten, mit fachkundiger Unterstützung.

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