Wie bereits festgestellt, ist Story in D&D5 durchaus erwünscht. Eine der wichtigsten Stellschrauben für story-orientiertes Spiel ist Inspiration. Inspiration ist eine dieser Regeln, die den DM und die Gruppe geradezu auffordern, ihre eigene Auslegung und Anwendung der Regel und damit ihren eigenen Stil zu definieren. Jedes gute Rollenspiel sollte solche Regeln haben: Sie erzeugen ein Vakuum, das gefüllt werden will, und helfen so der Gruppe, das Spiel zu ihrem eigenen zu machen. Die Frage ist nur, womit füllt ihr das Vakuum? Also, nehmen wir mal an, ihr seid wie ich und mögt Drama.
Inspiration dramaturgisch vergeben
Der DMG (p. 240) gibt bereits gute Hinweise, wofür man Inspiration vergeben könnte. Insbesondere nämlich für das Ausspielen der Personal Characteristics (“Roleplaying”). Allerdings sind nur wenige der im PHB genannten Beispiele für Personal Characteristics wirklich Drama-tauglich. Wir werden uns daher noch vertieft mit ihnen befassen. Wichtig ist: Für Drama reicht es nicht aus, einfach ein paar Marotten in immer gleicher Weise darzustellen. Inspiration für Rollenspiel solltest du nur dann vergeben, wenn das Ausspielen einer Personal Characteristic eine Komplikation erzeugt.
Darüber hinaus empfehle ich, auch die “Heroism”-Option aus dem DMG zu verwenden, die Wagemut belohnt und Risiken abfedert. Letztendlich ist D&D5 (anders als OD&D) ein cinematisches Action-Rollenspiel, daher scheint es mir naheliegend, turbulente Action zu belohnen und nicht minutiöse Planung. In Danger Zone spreche ich von der “Harrison-Ford-Regel”: Würde ein von Harrison Ford gespielter Charakter es tun? Dann belohne es. Das kann eine waghalsige, überstürzte oder heldenhafte Aktion sein, oder auch dieser markige Spruch, den die ganze Gruppe feiert.
In D&D5 kann man Inspiration nicht ansammeln. Man ist entweder inspiriert, oder man ist es nicht. Der DMG empfiehlt, Spielern etwa 1x pro Sitzung Inspiration zu geben. Allerdings: Wenn man das so handhabt, werden Spieler, wenn sie erst einmal Inspiration bekommen haben, diese aufheben für den entscheidenden Moment™, und in der Zwischenzeit haben sie keinen Anreiz, inspirationswürdig zu spielen. Daher würde ich empfehlen, Inspiration höher zu takten und bis zu 1x pro Szene zu vergeben. Hierdurch werden Spieler motiviert, Inspiration rauszuhauen und sich dann wieder neu zu verdienen.
Am Besten sollte man Inspiration durch einen Chip mit verschiedenfarbigen Seiten tracken. Dieser wird jedes mal umgedreht, wenn der Spieler Inspiration einsetzt bzw. erhält. Er sollte möglichst prominent platziert werden, sodass er die Spieler aktiv daran erinnert, Inspiration einzusetzen bzw. sich Inspiration zu verdienen. Die Erfahrung lehrt, dass ein DM viele Dinge gleichzeitig im Auge behalten muss und daher leicht einmal vergessen kann, eine Belohnung wie Inspiration zu vergeben. Ermutige daher deine Spieler, Inspiration aktiv für sich oder auch für andere Spieler einzufordern, wenn sie meinen, sie verdient zu haben.
Aber Obacht: Vergib Inspiration nicht für jeden Scheiß. Der Belohnungsmechanismus soll helfen, euer Spiel durch ernsthaft dramatische Aktionen zu bereichern, und nicht sinnlosen, effektheischenden Aktionismus befördern. Sei großzügig, aber nicht beliebig! Wer Qualität will, muss Standards haben.
Personal Characteristics dramaturgisch pimpen
Es gibt Rollenspiele, die quasi die gesamte Story aus den persönlichen Hintergründen und Zielen der Charaktere speisen. Zu diesen Rollenspielen gehört D&D aber nicht. Charaktere in D&D sollten so ausgelegt sein, dass sie sich mit anderen zu einer Gruppe zusammenschließen und auf Abenteuer ausziehen. Background und Personal Characteristics dürfen dem nicht entgegenstehen. Wenn du mit einer Backstory ankommst, aus der sich ergibt, dass deine kleine Schwester gestern von Orks entführt und ins Underdark verschleppt wurde, die Spur also noch heiß ist, dein DM aber geplant hat, die Gruppe auf eine lange Queste in ferne Länder zu schicken, dann passt das nicht zusammen. Insofern ist eine gewisse Zurückhaltung und/oder Abstimmung mit dem DM geboten. Trotzdem lassen sich die Personal Characteristics erheblich stärker dramatisieren, als es die meisten Beispiele im PHB tun.
Drama besteht aus Konflikt. Äußere Konflikte hat D&D reichlich, Charaktere haben mit Monstern, bösen NSCs und einer gefährlichen Umwelt zu kämpfen. Personal Characteristics können zwei Dinge zum Drama beitragen:
- Motivation. All die äußeren Konflikte mögen als Puzzle oder Herausforderung ohne weiteres funktionieren, glaubwürdig und spannend im Sinne von Story werden sie aber erst dann, wenn die SCs einen wirklich guten Grund haben, sich in die Gefahr zu stürzen, und wenn in den Konflikten etwas auf dem Spiel steht, das den SCs wichtig ist. Für dramaturgisches Spiel sollten die Personal Characteristics daher gezielt so gewählt werden, dass der DM sie als Motivation für die äußeren Konflikte nutzen kann. Dazu gehört auch der Gruppenzusammenhalt. Kleine Sticheleien sind für viele Spieler Salz in der Suppe, doch letztendlich sollte eine D&D-Gruppe zusammenhalten, durch dick und dünn. Auch dafür können Personal Characteristics sorgen, und dann braucht der DM mit seinem Plot Hook nur noch einen der SCs zu greifen, die anderen werden automatisch mitgezogen.
- Innerer oder persönlicher Konflikt. Geschichten sind packender und emotionaler, wenn sich der Protagonist nicht nur äußeren Gefahren entgegen stellen muss, sondern auch in seinen persönlichen Beziehungen oder in seinem eigenen Herzen Konflikte austrägt. Natürlich sollte er diese Konflikte dann beizeiten auch auflösen. Solche inneren und persönlichen Konflikte sind sicherlich nicht der Schwerpunkt einer D&D-Kampagne. Aber mit dem ein oder anderen persönlichen Subplot kannst du deine Kampagne schon dramaturgisch aufpimpen. Das erhöht die Identifikation mit den SCs und macht sie erinnerungswürdiger. Hierfür können die richtigen Personal Characteristics eine Steilvorlage liefern.
Ich werde daher jeder Personal Characteristic einen eigenen Blogpost mit entsprechend gepimpten Beispielen widmen. Wichtig ist außerdem die Verzahnung der Charakterkonzepte. Auf keinen Fall sollte jeder Spieler seinen SC im stillen Kämmerlein erstellen. Das empfiehlt sich auch schon deshalb, weil schließlich besprochen werden muss, wer in der Gruppe welche Aufgaben und Kompetenzen abdeckt. Und für mehr Drama kann man dann auch gleich Persönlichkeiten und Hintergründe aufeinander abstimmen. Nicht umsonst hat sich unter Erzählspielern eine Session Zero eingebürgert, und das ist auch für D&D eine gute Idee.
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