Deine Charaktere sind alle langweilig und austauschbar? Wenn du von ihnen erzählst, suchen alle das Weite? Auf die Frage, was an ihnen besonders ist, weißt du keine Antwort? Und du willst das ändern? Dann hat der alte Vermi ein paar Ratschläge für dich:
Was bei den anderen ankommt, zählt
Rollenspiel ist, was am Tisch passiert. Du kannst einen noch so tollen Hintergrund für deinen Charakter haben, wenn er am Tisch blass bleibt, dann ist er blass. Und hey, blass ist ja kein Verbrechen. Wenn du aber möchtest, dass die Mitspieler deinen Charakter spannend, witzig, liebenswert, cool oder gar alles auf einmal finden, dann musst du dir überlegen, was du am Tisch machen kannst, um das zu erreichen.
Daraus folgt erstens: du musst einen Charakter wählen, den du auch darstellen kannst. Oder zumindest beschreiben. Deine Mitspieler müssen es dir abkaufen. Also überlege dir vorher, wie du das anstellen willst. Es kann nicht schaden, sich ein paar typische Marotten, Zitate oder Äußerlichkeiten vor dem Spiel zu notieren und einzuprägen, die man im Spiel dann an geeigneter Stelle unterbringt. Keine Angst vor Redundanz, dadurch wird der Charakter erst einprägsam.
Und zweitens ist die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne zu berücksichtigen, mit der dein Charakter während einer Spielrunde rechnen darf. Die ist bei einer D&D-Dungeon-Runde mit 6 Spielern eine andere, als bei einer Fate-Drama-Runde mit 3 Spielern. Je weniger Aufmerksamkeit zu erwarten ist, desto pointierter musst du sein, damit bei deinen Mitspielern etwas hängen bleibt. Subtilität braucht Raum, aber du solltest nicht mehr Aufmerksamkeit für deinen Charakter beanspruchen, als dir zusteht.
Irgendwie mögen muss man ihn schon
Nicht alle Charaktere sind nette Kerle. Aber ein Charakter wird nur dann funktionieren, wenn man ihn doch irgendwie mag. Nur dann wird man mit ihm mitfiebern und wissen wollen, wie es mit ihm weitergeht. Hier sind ein paar Dinge, die Leute dazu bringen können, deinen Charakter zu mögen (wer Verallgemeinerungen findet, darf sie behalten):
- Humor. Das zieht immer. Wenn dein Charakter Humor hat, und sei er noch so sardonisch, oder wenn man über ihn lachen kann, und du auch mit lachst, hast du schon gewonnen. Zu manchen Systemen oder Runden passt Humor nicht, aber ansonsten ist er eine sichere Bank.
- Optimismus. Ein Charakter, der an das Gute glaubt, der seine Hoffnung und seinen Frohsinn nie verliert, ist immer beliebt. Erst recht, wenn er auch mal naiv ist und auch mal damit auf die Schnauze fliegt.
- Klare Motivation. Wenn die anderen verstehen, was dein Charakter will und warum, und dieser Antrieb im Spiel immer wieder hervor tritt, und dein Charakter ihn mit all seiner Kraft verfolgt, wird ihm das Sympathien einbringen, vor allem, wenn er damit nicht gleich Erfolg hat und trotzdem nicht aufgibt.
- Mitgefühl. Ein Charakter, der mit anderen fühlt und leidet und sich für sie stark macht, ist viel sympathischer als einer, der sich nur um sich selbst kümmert.
- Außenseiter. Jeder mag den Underdog.
Interessante Charaktere werden gemacht
Manche werden dir sagen, interessante Charaktere können nur durch das Spiel selbst entstehen. Richtig daran ist, dass ein interessanter Charakter immer auch durch die Ereignisse des Spiels geformt wird. Wenn diese Ereignisse nur an ihm abperlen, ist er nicht interessant, sondern ein Teflon-Billy. Falsch ist aber, dass man bei der Charaktererschaffung nicht nachhelfen könnte oder sollte. Manche Systeme gewähren mehr Freiheiten und andere weniger, aber man kann eigentlich immer bei der Charaktererschaffung etwas dafür tun, dem Charakter Wiedererkennungswert zu verleihen. Es lassen sich hier verschiedene Schwierigkeitsgrade unterscheiden.
- Anfänger
- Wähle ein zur Rolle passendes Klischee und überlege, wie du dieses darstellen kannst. Dein Krieger ist z.B. ein “zynischer Haudegen” oder ein “aufbrausender Macho”.
- Fortgeschritten
- Wähle ein zur Rolle in gewissem Widerspruch stehendes Klischee und überlege, wie du beides zusammen bringen kannst. Dein Krieger ist z.B. ein “gebildeter Schöngeist”, oder dein Magier ist ein “aufbrausender Macho”.
- Gib deinem Charakter eine Schwäche, die ihn hin und wieder in Schwierigkeiten bringt, z.B. Selbstüberschätzung, Neugier, Vorurteile oder eine Schwäche für das andere (oder gleiche) Geschlecht.
- Baue einen drastischen Bruch in die Biographie deines Charakters ein, der ihn zwang, seine Lebenseinstellung zu überdenken und/oder seine Laufbahn zu wechseln.
- Experte
- Statte deinen Charakter mit einem definierenden Konflikt, einem konkreten Thema aus. Dein aufbrausender Macho z.B. schadet sich durch sein Verhalten selbst, er versucht sich zu ändern, aber kann er das? Hierfür helfen ein paar Bezugspunkte aus der Vergangenheit des Charakters, dieses eine Ereignis, das ihm nachhängt, dieser eine NSC, dessen Anerkennung oder Vergebung der Charakter gerne erlangen würde.
- Statte deinen Charakter mit einem Leitmotiv, einem abstrakten Thema aus, um das herum du ihn baust und das du im Spiel von allen Seiten zu beleuchten versuchst, z.B. “in der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt”.
- Meister
- Transzendiere alle Klischees und erschaffe einen wahrhaft originellen Charakter.